Neue Gelenke möglichst schmerzarm
Wer ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk bekommt, soll möglichst wenig leiden. Wie das gelingen kann, weiß man unter anderem am Landesklinikum Krems.

Im Moorheilbad Harbach hat man sich auf die Rehabilitation nach einer Gelenksersatz-Operation spezialisiert.
Landesklinikum Krems
Mitterweg 10
3500 Krems
Tel.: 02732/9004-0
www.krems.lknoe.at
Anästhesie: Prim. Prof. Dr. Herbert Koinig;Pflege/Bereichsleitung: DGKS Elisabeth Groiss, MSc; Physikalische Medizin: OÄ Dr. Ursula Ernst, interim. Leiterin; Orthopädie: Prim. Doz. Dr. Florian Gottsauner-Wolf; Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter im Moorheilbad Harbach
Nützen sich Hüft- oder Kniegelenke im Laufe des Lebens ab – meist in den späteren Lebensjahren, bei Fehlstellungen oder anderen Erkrankungen auch schon früher –, dann wird es irgendwann Zeit für ein Ersatzgelenk. Das Implantieren von künstlichen Knie- und Hüftgelenken gehört derzeit zu den modernsten und effizientesten Operationen, sagt Prim. Doz. Dr. Florian Gottsauner-Wolf, Leiter der Orthopädie am Landesklinikum Krems: „Hauptsymptom zur Indikation zu diesen Operationen ist Schmerz. Operiert wird auch wegen Fehlstellungen, Instabilität oder bei Bewegungseinschränkungen bis zur Immobilität.“
Schonende Methoden
Aus orthopädischer Sicht werden die Gelenksersatz-Operationen immer schonender und kleiner, erklärt der Orthopäde, der interimistisch auch die Orthopädie am Landesklinikum St. Pölten leitet: „Wir achten sehr darauf, so wenig wie möglich an der gesunden Struktur von Knie und Hüfte zu verändern und so wenig wie möglich die Muskeln und Weichteile zu belasten.“ So werden immer mehr Teilgelenksersätze verwendet; sogenannte Halbschlitten-Prothesen am Kniegelenk machen inzwischen bereits ein Viertel der Knieoperationen in Krems aus. Andererseits verletzen minimal invasive Operationsmethoden (Stichwort Knopfloch-Chirurgie) weniger von Muskulatur und Weichteilen und hinterlassen kleinere Hautschnitte. Und sie sind mit weniger Blutverlust verbunden, wodurch viele Begleitmaßnahmen nicht mehr notwendig sind.
Weniger Schmerzen
Besonders wichtig ist Gottsauner-Wolf das Thema Schmerzen: „Krems hat vor zehn Jahren einen sanften Weg zum künstlichen Gelenk eingeschlagen. Neben schonenderen Operationen geht es um die Schmerzbehandlung und Schmerzfreiheit. Weniger Schmerzen bedeuten weniger Schmerzmittel. Denn wenn der Schmerz erst einmal da ist, muss man viel mehr an Schmerzmitteln verabreichen, als wenn man ihn gar nicht erst spürbar werden lässt. So haben die Patienten weniger Angst vor der Operation und der Nachbehandlung und sie können rascher die Vollfunktion der neuen Gelenke erreichen.“
Das Ziel der Schmerzfreiheit rund um die Operation erreicht man nur im Teamwork von Orthopädie, Anästhesie, Pflege, Physiotherapie und physikalischer Medizin, weiß Gottsauner-Wolf, und arbeitet dafür intensiv mit dem Leiter der Kremser Anästhesie zusammen, mit Prim. Prof. Dr. Herbert Koinig. Dieser erklärt: „Jeder Patient bekommt rund um die Operation ganz gezielt schmerzlindernde Medikamente nach einem festgelegten Standard. Wir starten damit schon, bevor es zu starken Schmerzen kommt.“ Koinig formuliert einen wichtigen Grundsatz, dem sich die Kremser Experten stellen: „Nicht der Patient muss sich melden, wenn Schmerzen auftreten, sondern das Ärzte- und Pflegeteam befragt die Patienten routinemäßig und behandelt ebenso.“
Schmerzkatheter & Schmerzpumpe
„Golden Standard“ sei die Kombination mit Regionalanästhesie: „Dies bedeutet aber nicht bloß das kompetente und sichere Anlegen der Schmerzblockade mit ultraschallgezielten Techniken, sondern auch eine umfassende Betreuung des Patienten nach der Operation. Das Werkzeug dafür sind Regionalanästhesie-Katheter, von denen im Landesklinikum Krems in den letzten zehn Jahren über 12.000 gelegt wurden. Deren Wirksamkeit und vieles mehr ist lückenlos und gründlich dokumentiert.“
Das Beste an dieser Methode laut interimistischer Leiterin der Abteilung für Physikalische Medizin, OÄ Dr. Ursula Ernst: „Mit ihr können die Patienten nach der OP früh und schmerzfrei mobilisiert werden – das ist wichtig, damit die neuen Gelenke sich bald wie eigene anfühlen.“ Und so lange der Katheter samt Schmerzpumpe gebraucht wird, wird er regelmäßig von einem erfahrenen Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin visitiert, um allfällige Probleme rasch zu beheben.
Schmerzlineal entwickelt
Auch die Pflegekräfte arbeiten intensiv mit, berichtet Pflege-Bereichsleitung DGKS Elisabeth Groiss, Msc: „Für die postoperative Schmerztherapie wurde für jedes einzelne Fach und jede einzelne Operationsgruppe ein allgemein gültiger Schmerzstandard entwickelt. Unser dafür entwickeltes Schmerzlineal ermöglicht es, das sehr individuelle Schmerzempfinden in objektive Werte umzuwandeln und durchgehend für jeden einzelnen Patienten zu dokumentieren. So weiß jeder Behandler zu jeder Zeit, welche Schmerztherapie nach einem individuellen Stufenplan gegeben werden muss.“
Nach der Operation kann schon bald die nötige Rehabilitation beginnen, bei der es darum geht, wieder sicher und gut mit den neuen Gelenken zu leben. Muskelaufbau, Gangschulung und und „Alltagstraining“ wie Heben, Tragen, Bücken etc. sind die Säulen einer guten Rehabilitation, weiß Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter im Moorheilbad Harbach: „Unsere Patienten sollen wieder in die Lage versetzt werden, ein eigenständiges Leben zu führen, einen Beruf auszuüben und am sozialen Leben teilzunehmen. Neben der physikalischen Therapie gehören zum Reha-Programm psychologische Beratung, Ergotherapie, Rückenschule und Bewegungsberatung, aber auch allgemeine Lebensstilinformationen und gezielte Schmerztherapie.“
FOTO: Bildagentur Waldhäusl
Kampf dem Schmerz
In Krems werden seit zehn Jahren Schmerzkatheter mit Schmerzpumpen gesetzt. Das Ergebnis bei 12.442 Kathetern (Stand Mitte November 2013): 61,7 Prozent der Patienten beschrieben ihre präoperativen Schmerzen am zehnteilgen Kremser Schmerzlineal mit 0 bis 2, 24,1 Prozent mit 3 bis 4. Somit blieben 85 Prozent der Patienten unter einer mittleren Schmerzempfindung von 0 bis 4. 29,7 Prozent der Patienten benötigten keine zusätzlichen Schmerzmittel und nur 47,9 Prozent benötigten nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und nur 20,9 Prozent Opiate. Das ist eine deutliche Verringerung der Schmerzmedikamente: Früher erhielten bis zu 100 Prozent der Patienten NSAR und etwa 60 Prozent Opiate. Schmerzkatheter wurden in den Fächern Orthopädie (44,3 %), Unfall (32,8 %), Chirurgie (9,3 %), Urologie (7,6 %) und Gynäkologie und Geburtshilfe (6 %) verabreicht.




