Musizieren und Malen als „Grundrecht“
Ob Schule mit künstlerischem Schwerpunkt, Kreativakademien oder Musikschulen – Niederösterreichs Jugend verfügt über ein großes künstlerisches Potenzial, das hier auch gefördert werden kann.
Wenn Viktoria (13) ihrem Cello mit dem Bogen samtige Töne entlockt, dann ist sie ganz weit weg, vertieft in ihr Schaffen und eins mit ihrem Instrument. Es ist eine wahre Freude ihr zuzusehen, sie zu hören, zu spüren, wie viel Entspannung und Kraft ihr das Musizieren gibt. Viktoria besucht die dritte Klasse am BRG und BORG St. Pölten, einer Schule mit jahrzehntelanger künstlerischer Tradition. Hervorgegangen aus der klassischen Lehrerbildungsanstalt ist heute eine achtstufige Schule, die neben einem musikalischen auch einen bildnerischen und naturwissenschaftlichen Schwerpunkt setzt.
„Musik ist eine Grundausdrucksart des Menschen, quasi ein Grundrecht“, weiß Musikprofessor Mag. Erich Schwab. „Musik macht Freude, daher haben wir in jedem Jahr sehr viele Bewerbungen!“, berichtet er vom ungebrochenen Ansturm auf die musikalische Ausbildung. Und die ist breitgefächert, neben den gängigen Instrumenten wie Klavier, Flöte und Gitarre gibt es auch Cello, Klarinette, Trompete oder Horn. Verschiedenste Konzerte mit Solisten und Ensemble begleiten den Jahreskreis und geben den Schülern immer wieder die Möglichkeit, ihr Können vor Eltern und Freunden zu zeigen. Neben der Instrumentalausbildung wird großer Wert auf den Gesang gelegt, so gibt es neben dem Singen im Klassenverband auch verschiedene Chöre. Das Fach „Stimmbildung“ wird ebenfalls angeboten. „Als Stundenkürzungen im Raum standen, war die Versuchung groß, bei den künstlerischen Fächern zu reduzieren. Wir haben uns aber klar dagegen entschieden“, erzählt Direktor Mag. Johann Angerer.
Musik stärkt soziale Fähigkeiten
Gerade die soziale Dimension der Musik mit dem Bilden einer Gemeinschaft, der Zusammenarbeit und Toleranz in den Klassen zeige sich tagtäglich. Eine Einschätzung, die auch von den Schülern bestätigt wird. Im obersten Stock der Schule, im Schubertsaal, singt die 7E gerade „Hinten bei der Stadltür“, ein Volkslied mit viel Schwung und spaßigem Text. Man merkt den Jugendlichen die Begeisterung an, wenn Prof. Mag. Karl Mayer am Klavier begleitet und die Klasse lautstark singt. „Wir sind seit sieben Jahren ein Klassenverband und haben eine tolle Gemeinschaft. Hier kann ich meine Kreativität entfalten“, bringt es Barbara auf den Punkt. Einige Stockwerke tiefer, in den Instrumentalräumen, probt gerade eine Gruppe aus der 4B mit ihren Gitarren. Die kleine Runde aus fünf Schülerinnen rund um Prof. Georg Forstreiter lernt gerade ein neues Stück. Nach einigen Versuchen klappt es so gut, dass zwei auf der Gitarre spielen und der Rest dazu singt. Der Spaß an der Musik ist spürbar. Kein trockenes Üben von technischen Problemen, keine Monotonie, sondern kreatives Herantasten an das Neue, gemeinsames Erarbeiten und Üben. Und auch hier zeigt sich die Dynamik der Gruppe, das Miteinander im Zentrum des Schaffens und nicht die Konkurrenz gemäß dem Motto „Wer kann das besser?“.
Musik als Stützpfeiler im Leben
Für viele ehemalige Schüler bleibt das Musizieren auch nach der Matura ein wichtiger Stützpfeiler im Leben. Manche wählen eine musikalische Ausbildung, für fast alle aber ist die Musik ein Ausgleich zum Alltag, ein kurzes Sich-selbst-Finden im Stress. „Emotion und Ratio bleiben hier zusammen, das lässt sich als wundervollen Ausgleich für später fix im Leben einplanen. Es ist eine Balance-Findung“, schildert Schwab.
Alle zwei Jahre steht eine Veranstaltung auf dem Programm, für die das Gymnasium weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist: das BORG Musical. Heuer wird „Children of Eden“ aufgeführt.
Ein Projekt, das viel an Vorbereitung und freiwilligem Mehraufwand für Lehrer wie Schüler bedeutet – finden doch die Proben in der Freizeit statt. So erfüllen auch am sonst freien Samstag „himmlische“ Klänge das Schulhaus. Dieses Musicalprojekt vereint Schüler der zweiten bis zur achten Klasse und schafft so auch neue Freundschaften und ein noch intensiveres Wir-Gefühl.
Ästhetische Erfahrungen sammeln
Beim Musical kommt es auch immer wieder zur Zusammenarbeit mit dem zweiten künstlerischen Schwerpunkt „Bildnerisches Gestalten und Werkerziehung“, der ab der Oberstufe angeboten wird. Burschen wie Mädchen versuchen sich hier an den verschiedenen Werkmaterialen, unternehmen erste Designversuche und experimentieren auch mit Film und Fotografie. Schon so manches Bühnenbild für Musicals wurde geschaffen. „Die Jugendlichen können im hohen Maße ästhetische Erfahrungen sammeln und so den Menschen in seiner Gesamtheit erleben“, erklärt Kunsterzieherin Mag. Marianne Plaimer. Immer wieder beschreiten Absolventen einen künstlerischen Weg und besuchen Universität oder Fachhochschule. Dass ein großes kreatives Potenzial an der Schule vorhanden ist, zeigt sich auch im Schulgebäude selbst. Immer wieder ist Musik aus den Klassenzimmern zu hören und zahlreiche Schülerarbeiten von Fotos bis hin zu großen Gemälden und Collagen zieren die Wände.
Kreativakademien bieten Chancen
Neben der Möglichkeit, den künstlerischen Zweig einer Schule zu besuchen, können Niederösterreichs
Jugendliche aber auch einen Kurs an den Kreativakademien wählen. Über das gesamte Land verteilt leiten Fachleute der jeweiligen Gebiete Kurse, um Jugendlichen von 12 bis 19 Jahren mit einer besonderen Begabung und Vorliebe die Chance zu geben, sich in das Fach zu vertiefen und der Kreativität freien Lauf zu lassen. „Talente entdecken und Talente
zu fördern ist ein ganz zentrales Anliegen des
Landes“, erklärt Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka, der die Kreativakademien NÖ ins Leben gerufen hat. „Wir wollen mit den Kreativakademien möglichst viele Kinder und Jugendliche motivieren, ihr künstlerisches Talent – vom Malen bis zum Theaterspielen – zu entdecken und zu pflegen.“ Getragen werden die Kreativakademien von der
Landesakademie Niederösterreich.
Mit Pinsel und Farben sich selbst ergründen
An mittlerweile 20 Standorten findet sich die Malakademie. „Zeichnen und Malen sind für Jugendliche ein äußerst tragfähiges Element der Formung der eigenen Persönlichkeit. Das kreative Potenzial kann hier reichlich ausgeschöpft werden“, erklärt der künstlerische Leiter, DDr. Leopold Kogler. In St. Pölten treffen sich die jungen Künstler mit Kursleiter Mag. Friedrich Sochurek im Landesmuseum NÖ, wo ihnen ein Atelier zur Verfügung steht. Still ist es hier, alle arbeiten konzentriert an ihren Werken, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die individuellen Begabungen zu fördern ist Sochurek wichtig, der auch gerne mit der ganzen Gruppe hinüber ins Museum geht, um so Kunstbetrachtung direkt am Objekt zu betreiben.
Spielen mit Worten
Das literarische Potenzial zu fördern und dabei Lust am eigenen Schreiben zu entwickeln steht in der Schreibakademie unter der Leitung von Dr. Peter Bubenik im Zentrum. Ob Spiel mit der Sprache, autobiographisches Schreiben, Dramatik, Lyrik oder gänzlich offenes Schreiben – alles soll ausprobiert werden. Begegnungen mit Autoren aus der Region und Austausch mit anderen Literaturinteressierten runden das Programm ab. Bei der Journalistenakademie lernen Jugendliche die Grundfähigkeiten des redaktionellen Handwerks und bekommen einen Blick hinter die Kulissen der Massenmedien vermittelt. Von der Tageszeitung bis hin zum Rundfunk, von der Presseagentur bis zur Zeitschrift lernen sie die breite Palette der Berichterstattung kennen. Geeignet ist dieser Kurs für Jugendliche zwischen
14 und 18 Jahren, er findet in St. Pölten statt. Leiterin ist die erfahrene Journalistin Sonja Planitzer, die national und international bei den verschiedensten Medien tätig war. Das Üben des journalistischen Schreibens steht im Mittelpunkt der Ausbildung, aber auch gezieltes Recherchieren, Interviewen und genaues Nachfragen werden geübt (gelegentlich auch in GESUND+LEBEN). Darüber hinaus lernen die jungen Menschen auch das Zeitgeschehen kritisch zu verfolgen, sich nötiges Hintergrundwissen zu erwerben und so Beiträge zu beurteilen.
Altes Handwerk neu lernen
Die Schmiedeakademie NÖ ist in Ybbsitz beheimatet. Hier stehen die handwerkliche Umsetzung von Ideen in Metall und die Entwicklung und Förderung des künstlerischen Darstellungsvermögens im Mittelpunkt des Kurses. Renommierte Schmiede aus der Region vermitteln den Jugendlichen die handwerklichen Grundlagen, Kunstschmiedin Mag.
Christine Habermann hat die künstlerische Leitung über. Gerade der Umgang mit Hammer und Metall, das Feuer und diese fremde Welt üben eine faszinierende Anziehung auf die Jugendlichen aus, die oftmals in der technisierten Welt viel zu selten mit der Kraft des eigenen Körpers etwas schaffen.
Sich selbst in Rollen finden
Viele Kinder haben eine Vorliebe für darstellende Kreativität, lieben es in verschiedene Rollen zu schlüpfen und gestalten auch gerne kleine Aufführungen, sei es für die Großeltern oder für die versammelte Puppen- und Stofftierschar. Mit zunehmendem Alter wird meist neben der Fantasie auch das Schauspielen weniger und verschwindet oft völlig. Zum einen aus mangelndem Interesse, andererseits aber auch aus fehlendem Mut und Möglichkeit. Das Ziel der Schauspielakademie ist es, die darstellende Kreativität bei Jugendlichen am Leben zu halten oder neu zu wecken. Professionelle Künstler aus den Bereichen Schauspiel, Tanz und Theaterpädagogik fördern die Lust, mit Stimme, Körper, Fantasie und eigener kreativer Darstellung zu spielen. Mut und Selbstbewusstsein, aber auch Konzentration und Fantasie werden hier so „ganz nebenbei“ trainiert und tragen einen wesentlichen Teil zur Entwicklung der Jugendlichen bei.
Geige, Schlagzeug, Trompete und mehr
Musikalisch interessierte Jugendliche finden eine Fülle an Möglichkeiten in den Musikschulen Niederösterreichs, wo eine Vielzahl an Instrumenten, aber auch Gesang, unterrichtet wird. Insgesamt bringen 134 Musikschulen für mehr als 50.000 Schüler Freude und Spaß an der Musik und bilden die Basis für das musikkulturelle Leben in den Regionen. Vielfach stammt der Nachwuchs der zahlreichen Chöre und Blaskapellen aus den Musikschulen. Breit ist also das Angebot für die Nachwuchskünstler im Land, jetzt gilt es nur mehr das Richtige zu finden, und dann kann es schon losgehen. Einsteigen kann man auch jetzt noch!
Gymnasien mit künstlerischem Schwerpunkt
- BRG und BORG St. Pölten, www.borgstpoelten.ac.at
- BORG Wiener Neustadt, www.borg2700.at
- BG/BRG Perchtoldsdorf, www.bgperchtoldsdorf.ac.at
- BORG Krems, www.borg-krems.ac.at
- Priv. ORG Englische Fräulein Krems, www.gymkrems.ac.at
- Öffentliches Stiftsgymnasium und ORG der Benediktiner Melk, www.gymmelk.ac.at
- BORG Mistelbach, www.borgmistelbach.ac.at
- BORG Scheibbs, www.borgscheibbs.ac.at
- Landesschulrat NÖ, www.lsr-noe.gv.at
Kreativakademien Niederösterreich
Die NÖ Landesakademie bietet sechs verschiedenen Akademien als künstlerische Jugendförderung in Niederösterreich an: Malakademie, Schreibakademie, Schauspielakademie, Journalistenakademie, Schmiedeakademie und Begabtenakademie.
www.kreativakademien-noe.at