Familien stützen
Hilfe für einen guten Start ins Leben trotz schwieriger Ausgangssituation bietet das »Netzwerk Familie« der Initiative »Tut gut!«.

(v. l.) Netzwerkmanagerin Michaela Hellerschmid, Sabine Holzinger-Grath, Mag. Carmen Hromecek und Mag. Alexandra Lengauer-Strasser, Familienbegleiterinnen. foto: BM.I
Eine junge Frau, nennen wir sie Katrin, wird unerwartet schwanger, der Partner verlässt sie, weil er sich dem gemeinsamen Leben samt Erziehung eines Kindes nicht gewachsen fühlt. Katrin weiß nicht, wie es weitergehen soll. Allein kann sie die Wohnung kaum bezahlen. Ein Szenario, wie es immer wieder vorkommt. Ein Szenario, bei dem das »Netzwerk Familie« einspringen kann: Katrins Frauenärztin erzählt ihr vom Unterstützungsangebot, Katrin fasst sich ein Herz und ruft an.
Familienbegleiterin Sabine Holzinger-Grath spricht lange mit Katrin, schließlich vereinbaren die beiden ein Treffen in den Räumen des Netzwerkes im Universitätsklinikum Krems. Bei diesem Erstgespräch ist auch Familienbegleiterin Alexandra Lengauer-Strasser dabei. Die beiden Expertinnen erfassen rasch die Gesamtsituation und machen der jungen Frau Mut: Es gibt viele Hilfsangebote, Möglichkeiten und Wege. Und so aussichtslos, wie es Katrin erst vorgekommen ist, sieht sie ihre Situation nun nicht mehr.
Holzinger-Grath und Lengauer-Strasser arbeiten als Familienbegleiterinnen beim »Netzwerk Familie«, einem Angebot der Initiative »Tut gut!« des Landes Niederösterreich, die sich um Gesundheitsvorsorge kümmert. Dabei geht es um die allererste Zeit im Leben der nächsten Generation: Die kostenlose und anonyme Begleitung kann in der Schwangerschaft beginnen und ist bis zum dritten Geburtstag des Kindes möglich. Das »Netzwerk Familie« gibt es seit einem Jahr in der Region Krems. Da zunehmend Anfragen aus der Region St. Pölten einlangen, werden künftig bei vorhandenen Ressourcen auch Familien aus diesem Gebiet begleitet.
Katrin kann mit der Familienbegleiterin über die Ängste sprechen, die sie in ihren Teenager-Jahren geplagt haben. Die beiden Frauen sprechen auch über das Thema Partnerschaft und die Chancen, den Kindesvater doch noch am Familienleben zu beteiligen. Als Katrin im sechsten Schwangerschaftsmonat ist, klärt sie mit der Familienbegleiterin, wie die Wohnung babygerecht wird und was Katrin wirklich braucht, damit der Start mit dem Neugeborenen gelingt. Katrin bekommt Informationen über mögliche finanzielle Unterstützungen. Und eines Tages steht der Vater ihres Kindes vor der Türe. Lange reden die beiden, Tränen fließen. Sie vereinbaren ein Gespräch mit der Familienbegleiterin. Diese informiert die werdenden Eltern über mögliche Hilfsangebote wie Familien- oder Erziehungsberatung.
Verlässliche Begleitung
So oder so ähnlich sehen jene Situationen aus, für die das Projekt »Netzwerk Familie« entwickelt wurde. Entstanden ist es, um Familien möglichst früh und niederschwellig zu unterstützen. Dafür nehmen sich die Expertinnen viel Zeit, denn gerade in so sensiblen Lebensphasen brauchen vor allem die betroffenen Mütter die Sicherheit einer guten Beziehung zur jeweiligen Expertin. Netzwerkmanagerin Michaela Hellerschmid: „Wenn wir früh in der Schwangerschaft einbezogen werden, können wir die Familien viele Monate begleiten – bis das Kind drei Jahre alt ist.“ Viele Familien haben bis dahin wieder Tritt fassen und die Probleme bewältigen können – bis hin zum beruflichen Wiedereinstieg der Mutter und der Betreuung des Kindes im Kindergarten. Damit sind die Anfangsschwierigkeiten bewältigt und wichtige Bausteine für ein gutes Familienleben gelegt. »Netzwerk Familie« arbeitet mit sämtlichen Partnerinnen und Partnern von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen zusammen und bildet mit ihnen gemeinsam ein multiprofessionelles Netzwerk in der Region.
Die Familienbegleiterin bespricht mit Katrin in den nächsten Wochen, welche Unterstützung sie sich holen kann, welche Ressourcen sie hat. Da ist eine langjährige Freundin, die selber bereits zwei
Kleinkinder hat. Die Nachbarin aus der Wohnung darüber hat sich als Leihoma gemeldet und freut sich darauf, ein „Enkerl“ im Haus zu haben. Für ein, zwei Stunden pro Woche wird sie Katrin unterstützen. Wenn die Hilfe aus dem persönlichen Umfeld nicht reicht oder ein spezifisches Angebot notwendig ist, vermittelt »Netzwerk Familie« passgenaue Hilfe. Dass es sich lohnt, gerade bei Familien mit ganz kleinen Kindern anzusetzen, sogar schon möglichst in der Schwangerschaft, weiß man aus der Forschung: Der „Return on Investment“ und damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist bei Maßnahmen in der frühen Kindheit am höchsten. Laut Studien des Wirtschaftsnobelpreisträgeres James Heckmann beträgt die entsprechende Rate etwa 1:8, das heißt, pro investierten Euro kommen etwa acht Euro zurück. Besonders wirksam sind Investitionen bei sozioökonomisch benachteiligten Kindern, bei denen der „Return on Investment“ bei etwa 1:16 liegt (www.heckmanequation.org).
Deshalb hat das Gesundheitsministerium im Vorjahr bei der Bundesgesundheitsagentur Gesundheit Österreich (GÖG) das Nationale Zentrum Frühe Hilfen etabliert. Auch das Kremser
Projekt »Netzwerk Familie« wird, wie das von der NÖGKK organisierte im Süden Niederösterreichs, aus den Vorsorgemitteln der Bundesgesundheitsagentur finanziert. Nach einem Jahr hat sich für
Katrin, ihren Freund und das mittlerweile vier Monate alte Baby das Familienleben eingespielt. Die Familienbegleiterin schaut alle zwei Wochen auf eine Stunde vorbei, mit ihr kann Katrin alles besprechen, was für die junge Familie wichtig ist. Die ersten Wochen sind geschafft, dem Baby geht es gut, die Eltern wohnen wieder zusammen und der Vater hat einen neuen Job. So ist es doch noch ein guter Start ins Leben geworden.
Netzwerk Familie
»Netzwerk Familie« betreut derzeit Familien in den Bezirken Krems Stadt und Krems Land. Seit kurzem werden, bei freien Plätzen, auch Familien aus der Region St. Pölten betreut. Die Unterstützung und Begleitung ist vertraulich und kostenlos.
Informationen: Tel.: 02732/9004-6110
(Sprechstunde: Di. 10:00–13:00 Uhr), netzwerkfamilienoetutgut.at
Frühe Hilfen NÖ Süd
Ein gesundes Aufwachsen von Kindern, um damit deren Recht auf Schutz, Förderung und Teilhabe an einer gesunden Gesellschaft, stehen im Fokus dieser Intervention der NÖGKK für die Bezirke Baden, Neunkirchen und Wiener Neustadt Stadt und Land.
Informationen: Mag. Sabine Pintsuk-Schlögl, Tel.: 0664/88602120 (Mo. bis Do. 08:00–16:00 Uhr), sabine.pintsukargef.at
Wo derartige Projekte noch nicht angeboten werden, gibt es verschiedene Anlaufstellen für Familien, etwa NÖ Hilfswerk oder Caritas. Auch sie bieten Beratungen an, unterstützen durch Sachspenden, organisieren und vermitteln psychosoziale Hilfe.