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Zentrale Spezialisten

Die Innere Medizin behandelt den ganzen Menschen. Internistinnen und Internisten brauchen daher ein umfassendes Verständnis vom gesamten Organismus.


rim. Dr. Bernhard Jaritz führt eine Endoskopie durch, DGKS Helga Hiesel assistiert. FOTO: Felicitas Matern

Werner H. leidet an Blutarmut und hat in kurzer Zeit viel Gewicht verloren. Im Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf wird er nun durchgecheckt, um die Ursache herauszufinden. Heute steht eine Darmspiegelung am Programm. Der Patient bekommt eine Beruhigungsspritze (Sedoanalgesie) und die Untersuchung kann somit schmerzfrei durchgeführt werden. Mit einem Spezialinstrument, einem sogenannten Endoskop, untersucht Prim. Dr. Bernhard Jaritz den gesamten Dickdarm vom Darmausgang bis zum Übergang zum Dünndarm. Das Endoskop ist mit einer Lichtquelle und einer Kamera ausgestattet und vermittelt Bilder direkt auf einen Bildschirm. Im Dickdarm sind noch einige Tablettenreste zu sehen, sonst bisher keine Auffälligkeiten. Jaritz fährt den weiteren Darmverlauf entlang. „Das Endoskop ist mein verlängerter Arm“, sagt er. „Hier ist ein Polyp, den tragen wir gleich ab.“ Der erfahrene Arzt legt eine Schlinge um den Polypen und entfernt ihn. Eine Routinehandlung. Er entnimmt noch eine Gewebeprobe, die danach histologisch untersucht wird. Darmspiegelung beendet, völlig schmerzfrei für den Patienten.
In kurzer Zeit wird Werner H. wieder aufwachen. Der Polyp war zwar nicht der Grund für seine Beschwerden, aber aus diesen gutartigen Verwölbungen kann Darmkrebs entstehen, daher muss man sie rechtzeitig ent­fernen. „Ab 50 sollte man regelmäßig eine Darmspiegelung machen lassen“, appelliert Jaritz, „sie hat einen großen Stellenwert in der Krebsvorsorge.“

Viele Krankheitsbilder

Die Spezialisten für endoskopische Untersuchungen aller Art sind vor allem die Fachärzte für Innere Medizin. Sie nehmen eine zentrale Rolle in der Abklärung und Behandlung schwieriger und lebensbedrohlicher Erkrankungen ein. Der Internist beschäftigt sich mit der Prophylaxe, Diagnose und Behandlung von Krankheiten der inneren Organe. Patienten kommen zu ihm mit Nierenkrankheiten, Blutkrankheiten, allergischen Reaktionen, Infektionserkrankungen, Magen-, Leber- oder Darmerkrankungen, Stoffwechselstörungen, hormonalen Erkrankungen oder Krebs.
Da dieses Fachgebiet sehr breit gefächert ist, sind viele Internisten spezialisiert auf ein bestimmtes Krankheitsbild. Gastroenterologen erkennen und therapieren Verdauungskrank­heiten, die zum Beispiel Magen und Darm, Galle oder Speiseröhre betreffen. Kardiologen und Angiologen sind Spezialisten des Herz-Kreislauf-Systems, Endokrinologen für Stoffwechsel­krankheiten und Hormonstörungen (siehe unten). Bernhard Jaritz mag diese Vielfalt: „Ich bin nach wie vor verliebt in die Innere Medizin, denn sie hat die Einheit des menschlichen Organismus im Blick.“ Spezialisiert hat er sich auf Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Onkologie und leitet die 2. Medizinische Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Onkologie im Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf. „Wir Internisten sind im Krankenhaus der zentrale Spezialist“, sagt er, „die Innere Medizin deckt einen Großteil des medizinischen Gebiets ab.“ Er hat es mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern zu tun.
Patientin Helga C. liegt im Spital wegen einer Marcumar-Überdosis. Wegen mehrerer Thrombosen muss sie täglich das blutverdünnende Medikament nehmen. Am Freitag ist die 78-­Jährige gestürzt, hat sich an der Hand verletzt, die Blutung ließ sich nicht stoppen. Bernhard Jaritz untersucht ihre rechte Hand, die wie ein angeschwollener blauer Blutschwamm wirkt. „Das schaut aber schon schön aus, Frau C. Noch ein paar Tage, dann können Sie wieder nach Hause.“

Fortschritte der Medizin

Kaum ein anderes Fach hat sich in den vergangenen 20 Jahren derart verändert wie die Innere Medizin, das bedeutet für Internisten permanente Weiterbildung und eine Erweiterung des Wissens in allen Teilbereichen. Seit 21 Jahren ist Jaritz bereits Primarius, seit über 30 Jahren Internist: „Fast alles hat sich geändert“, resümiert er und berichtet über die Entdeckung der Hepatitis C in den 1980er Jahren: „Es war damals ein großer Aufruhr, als dieses fremde Virus aufgetaucht ist. Die Therapie war mühsam und langwierig, die Heilungsrate lag bei lediglich 30 Prozent. Heute nimmt man eine Tablette und ist nach 24 Wochen wieder geheilt. Gegen Hepatitis A und B gibt es eine Impfung, die die Erkrankung verhindert.“ Er erinnert sich an seine ersten Endoskopien: „Das Endoskop war ein manuelles Gerät, wir haben hineingeschaut wie bei einer Lupe. Nun sitzen wir bequem und schauen auf einen Riesen­monitor. Zudem sind die Unter­suchungen viel sicherer für den Patienten.“

Gutes Leben ermöglichen

Mittlerweile überschneidet sich die Endoskopie mit der Chirurgie, per Endoskop werden kleinere Operationen durchgeführt. Das bietet auch in der Tumortherapie viele Möglichkeiten, sagt der Internist: „Beim Gallengangstumor etwa bauen wir endoskopisch einen Stent ein, machen so die Gallenwege wieder auf, damit der Patient noch gut damit leben kann. Denn ich sehe es als die Aufgabe eines Mediziners, nicht nur Leben zu verlängern, sondern den Patienten auch noch ein gutes Leben zu ermöglichen.“
Das Endoskopieren liegt Jaritz besonders: „Ich mag es, handwerklich zu arbeiten.“ Der Primarius hat noch ein weiteres Beispiel für den Fortschritt der Medizin parat: „Vor 20 Jahren musste man ein Magengeschwür operieren. Heute nimmt man Tabletten, um es zum Verschwinden zu bringen.“ In allen Bereichen tut sich enorm viel. Ein erfahrener Arzt wie Jaritz hat viel zu erzählen, hat viele Errungenschaften der Medizin hautnah miterlebt.

Rasante Entwicklung

Weitere Schwerpunkte von Jaritz’ Tätigkeit sind die Endokrinologie und Diabetes mellitus mit strukturierter Diabetikerschulung sowie die Schilddrüsenambulanz. Und die Onkologie, also die Krebsmedizin – ein dynamisches Fach, das rasant wächst: „Hier habe ich bei Null angefangen. In den 1980er Jahren gab es nur vereinzelt onkologische Ambulanzen, alles war im Aufbau.“ Mittlerweile bietet das Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf eine onkologische Ambulanz, Anfang Juli kam eine Palliativ­station hinzu. Viele Krebspatienten können heute ambulant behandelt werden, kommen nur zur Chemotherapie ins Klinikum und gehen danach wieder nach Hause.
Wilhelmine E. (68) bekommt heute ihre dritte Chemotherapie verabreicht. Mit anderen Krebs-patienten sitzt sie in einem lichtdurchfluteten Zimmer, liest einen Roman, während die Infusion langsam in ihren Körper tropft. Sie lacht: „Mir geht’s gut, ich fühle mich nicht krank.“ Auch die Chemo verträgt sie gut, hat keine Neben­wirkungen. Die lebensfrohe Dame lässt sich von ihrem Brustkrebs nicht zu sehr einschränken, berichtet von ihrem gestrigen Radausflug, „aber nicht weit, nur 30 Kilometer.“ Nach etwa zwei Stunden geht Wilhelmine E. nach Hause, fünfmal muss sie noch kommen, dann ist die Chemo-Behandlung vorbei. „Die Art der onkologischen Therapie hat sich komplett geändert“, sagt Jaritz, „vieles ist ambulant möglich, da die modernen Therapien besser verträglich sind. Die Leute müssen nicht mehr stationär aufgenommen werden. Und eine neue Therapie mit Antikörpern wird immer effektiver – dies sind Medikamente zum Schlucken. Die Patienten müssen nur noch zur Blutkontrolle ins Klinikum.“ Bernhard Jaritz war auch feder­führend an der Entwicklung des Onkologie-Informationssystems für die NÖ Kliniken beteiligt (siehe Kasten unten) – ein weiterer Meilenstein im Kampf gegen Krebs. Als Arzt hat man es zwangsläufig auch mit schwierigen Schicksalen zu tun, gerade in der Onkologie. Wie geht er damit um? „Man muss sich psychisch distanzieren. Dem Patienten objektiv erklären, was ihm fehlt, und Hilfe anbieten. Man muss sein Ich von der Katastrophe des Patienten trennen. Aber zum Glück haben wir mehr schöne Situationen als Katastrophen. Wir können mehr Menschen helfen als umgekehrt. Sonst wäre ich schon verzweifelt.“

Ausbildung zur Internistin/zum Internisten

Wer Internistin/Internist werden will, muss eine lange und profunde medizinische Ausbildung absolvieren. Seit Jänner 2015 ist die Novelle des Ärztegesetzes in Kraft, ab Juni kann die neue Ausbildung begonnen werden, die nun folgendermaßen aufgebaut ist: Nach dem Medizinstudium müssen Ärztinnen und Ärzte eine neunmonatige Basisausbildung im Krankenhaus absolvieren, um das praktische Rüstzeug für die Ausübung des Berufs zu erlernen. Darauf folgt eine 15-monatige Grundausbildung. Danach kommt die Schwerpunktausbildung, die zumindest 27 Monate dauert. Dabei stehen maximal sechs Module zu bestimmten Fachinhalten zur Wahl. Die bisherigen Additivfächer entfallen und werden in die Ausbildung integriert. Spezialisierungsmöglichkeiten der Inneren Medizin sind unter anderem: Kardiologie, Gastroenterologie und Hepatologie, Rheumatologie, Endokrinologie, Nephrologie, Hämatologie/Onkologie, Angiologie, Intensivmedizin und Infektiologie.

Krebs: Neue Chancen durch systematische Dokumentation

In den NÖ Landes- und Universitätskliniken werden derzeit pro Jahr circa 17.500 Krebspatientinnen und -patienten behandelt. Ein wichtiger Meilenstein in der Krebstherapie ist die gemeinsame Fallbesprechung im Tumorboard, wo Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen die Therapiemöglichkeiten jedes einzelnen Krebspatienten diskutieren. Die Ergebnisse des Tumorboards fließen künftig in das Onkologie-Informationssystem (OIS) ein und sind damit in allen Kliniken automatisch abrufbar. Das NÖ OIS ist eine strukturierte Tumordatenbank: Erstmals werden flächendeckend alle Krebsfälle und sämtliche Behandlungsschritte strukturiert so dokumentiert, dass sie jedem behandelnden Arzt in Niederösterreich einfach und übersichtlich zur Verfügung stehen – ein wichtiger Mosaikstein im Kampf gegen Krebs. Mit dem OIS kann man das Tumorgeschehen in Niederösterreich erheben, zum Beispiel über Verteilung der Tumore auf Regionen, Alter und Geschlecht, Behandlungen, Überlebenszeiträume und Lebensqualität.
Mit dem OIS nimmt Niederösterreich die Vorreiterrolle in Österreich ein. Namhafte Vertreter aus Oberösterreich (wie das Tumorzentrum Elisabethinen der Gespag) haben sich bereits mit der NÖ Landeskliniken-Holding abgestimmt und verwenden das OIS zur Tumordokumentation mit nahezu gleichen Datensätzen. Bundesweit ist ein derartiges Werkzeug in Planung.

Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf
Liechtensteinstraße 67
2130 Mistelbach
Tel.: 02572/9004-0
www.mistelbach.lknoe.at