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Wiens eleganteste Salondame wird 85

Die Schauspielerin, langjährige Opernball-Organisatorin und Unterstützerin zahlloser Künstler Lotte Tobisch braucht Anerkennung und genießt das Feiern – aber mag trotzdem am liebsten ihren alten Golf und ein schlichtes Wurstbrot.


Foto: Sandra Sagmeister

Am liebsten isst sie ein Wurstbrot, mit viel Butter drunter, einem Gurkel oben drauf und einem Glaserl Milch hintennach. Dieses einfache Menü würde man gar nicht vermuten bei der Lotte Tobisch, die seit 28. März ihren 85. Geburtstag feiern „muss“. Muss, weil sie von einem Fest zum anderen gereicht wird, von einer Ehrung zur anderen – es geht ihr schon ein bissl die Luft aus, und das ist selten bei der „flotten“ Lotte: „Ich hätte nie gedacht, dass das solche Ausmaße annimmt! Was passiert dann erst, wenn ich 90 werde?“
Aber wie immer sieht sie lieber das Positive im Leben – ihr Wahlspruch, ganz schlicht und einfach, wie das Wurstbrot: „Das Glas ist immer halbvoll, niemals halbleer.“ Lotte Tobisch freut sich aber sehr, „dass mich die Leute mögen.“ Sie gibt ganz offen zu, dass der Mensch einfach Anerkennung braucht, und dass es gut tut, wenn man diese Anerkennung hört und spürt. Trotzdem „sind mir Medaillen und Schmuck relativ wurscht.“ Man hat es zwar, hängt es sich um den Hals – aber wirklich wichtig sei das nicht.

„Man weiß nie, was das Leben bringt“

Lotte Tobisch ist und war so viel schon in ihrem Leben: Sie ist eine Frau Professor, stammt aus bestem Hause, trägt einen Doppelnamen: Tobisch-Laboty – ihre Familiengeschichte geht bis auf das 13. Jahrhundert zurück. Dann ist sie eine echte Grande Dame, auf Wikipedia steht, sie sei der Inbegriff der „eleganten Wiener Salondame“, immer edel im Gemüt, immer nobel im Benehmen und höflich-charmant.
Sie ist aber auch Präsidentin, z. B. des Vereins „Künstler helfen Künstlern“, der das Hilde-Wagener-Künstlerheim in Baden bei Wien betreibt, wo Künstlerinnen und Künstler ihren Lebensabend mit anderen Kollegen verbringen können: „Man weiß ja nie, was das Leben bringt, aber es beruhigt mich, zu wissen, dass es so ein Heim gibt, wo man nicht nach dem Prinzip trocken und satt gepflegt wird.“
Nach Baden ins Künstlerheim düst sie oft mehrmals die Woche, flott ist sie unterwegs mit ihrem Golf, der zu jener Zeit, als sie noch Opernball-Lady war, als nicht standesgemäß bezeichnet wurde. Aber das war der Lotte Tobisch egal, der Golf blieb. Äußere Konventionen sind unwichtig, sie hat ihren eigenen Kopf, den hat sie sich behalten und mit dem denkt sie gerne gegen den Strom.
So hält sie sich geistig frisch und agil, und ein gesunder Geist wohnt nicht nur gerne in einem gesunden Körper, sondern ist auch dessen Motor. Wenn sie in Baden angelangt ist, huscht sie wie ein Wirbelwind durch die Gänge, schaut in jedes Zimmer, ein kurzes „Halloooooo, wie geht’s“, um sich dann ihr Extrawurstbrot in der Küche abzuholen. Weil, für ein ausgiebiges Mittagessen hat sie keine Zeit. In ihrem Inneren ist sie eine Aufmüpfige geblieben, äußerlich ist sie eine Macherin, bringt die Dinge rasch und prägnant auf den Punkt.

„Mit 50 sollte man mit dem Komasaufen aufhören“

Die Tobisch ist auch Präsidentin der Österreichischen Alzheimer Liga, ihr soziales Engagement stellt sie ehrenamtlich mehreren Organisationen zur Verfügung, das ist ihr wichtig, es sei so etwas wie eine Verpflichtung, sich für die Gesellschaft einzusetzen: „Was soll ich sonst mit meiner Zeit anfangen, mit Freundinnen im Kaffeehaus herumsitzen, mich beim Sport erwürgen?“ Nein, sicher nicht! Fitnesscenter? Nichts für die ansonsten so „flotte Lotte“: „Ich gehe lieber, gehe viel spazieren, da verblödet man nicht, weil beim Spaziergehen kann man gut nachdenken. Gehen ist das Allergesündeste.“ Auch davon, sich teure Cremen „ins Gesicht zu schmieren“ hält sie wenig, ihr Erfolgsrezept, um jung zu bleiben ist schlichtweg simpel: „Mit 50 sollte man mit dem Komasaufen aufhören, sich nicht zu Tode rauchen und mehr schlafen.“ That’s it. Weil von den Jahren allein werde man eh schon alt genug. Das Älterwerden sei somit gar nicht schwer, man dürfe nur nicht jung bleiben wollen, dann werde es problematisch …
Aber auch die Tobisch war einmal jung, studierte Schauspiel bei Raoul Aslan, Schauspieler und Burgtheaterdirektor (1945–1948), debütierte als blutjunge Schauspielerin am Burgtheater, trat in Folge an den wichtigsten Wiener Theatern auf und drehte Filme. Von 1981 bis 1996 organisierte sie den Opernball und ist so einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, bekannt geblieben. Und die Tobisch ist auch eine Intellektuelle, über mehrere Jahre führte sie mit dem Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno einen angeregten Briefwechsel, der 2003 als Buch verlegt wurde.
Lesen ist bis heute, neben dem Spazierengehen, einer ihrer liebsten Jungbrunnen geblieben, aus dem Stegreif zitiert sie immer wieder Passagen aus der Literatur, wie beispielsweise Goethe: „Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag, ein letztes Glück und einen letzten Tag“ – und so bemüht sich die Lotte Tobisch jeden Tag glücklich zu (er)leben, denn es könnte doch der letzte sein.

TIPP

Reinhard Fendrich schenkte Lotte Tobisch ein Konzert zum Geburtstag, er singt am 23. Mai im Raimundtheater zugunsten des Vereins „Künstler helfen Künstlern“.