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Wenn Eltern nicht weiterwissen

Viele gesundheitliche Probleme von Kindern und Jugendlichen können psychosomatisch sein – denn Seele und Körper beeinflussen sich gegenseitig.


foto: fotolia

Ein Baby, das besorgniserregende Probleme beim Essen macht; ein Kleinkind, das sich über alle Maßen aufregt; ein Volksschulkind, das ständig Bauchweh hat; ein Teenie, der sich immer wieder die Haut aufritzt – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie plagen sich ganz enorm. Und sie hinterlassen ihre Eltern oft ratlos, denn alle klinischen Untersuchungen bringen meist keinen Befund. Wie können Eltern ihrem Kind helfen? Eine Antwort darauf bietet der Begriff Psychosomatik, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung im Universitätsklinikum St. Pölten: „Wenn man sich psychisch-emotional nicht wohlfühlt, wirkt sich das auf den Körper aus – und umgekehrt. Körper und Seele gehören zusammen und reagieren aufeinander, bei Kindern noch deutlicher als bei Erwachsenen.“ Kinderärzte schauen in solchen Fällen zuerst, welchen körperlichen Grund das Verhalten haben könnte: Hat das Baby eine Unverträglichkeit auf bestimmte Lebensmittel oder das Volksschulkind eine Blinddarmentzündung?
Um solche Fälle abklären zu können, gibt es im Universitätsklinikum St. Pölten nun einige wenige extra reservierte Betten für psychosomatische Fälle – sowohl für Säuglinge und Klein-kinder als auch für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen fünf und 18 Jahren. Ein Team aus Psychologen, Heilpädagogen, Diätologen, verschiedenen Therapeuten, Sozialarbeitern und Kinderärzten klärt ab, worum es sich bei den Problemen handelt. Psychiatrische Erkrankungen werden an den drei Kinder- und Jugendpsychiatrien im Uniklinikum Tulln oder den Klinik-Standorten Hinterbrühl und Mauer behandelt.
Was kann die Kinderabteilung in St. Pölten für psychosomatische Patientinnen und Patienten leisten? „Wir können die Diagnostik übernehmen und die Therapie einleiten, das dauert bis zu drei Wochen. Langfristig muss die Therapie aber vom niedergelassenen Bereich übernommen und die Ressourcen des sozialen Umfeldes des Kindes oder Jugendlichen genutzt werden. Aber oft ist es schon eine große Hilfe, wenn wir die ersten Schritte übernehmen.“

Kleine Schritte, große Wirkung

Das Herausnehmen des Babys, Kindes oder Jugendlichen aus seinem gewohnten Umfeld bringt nämlich erst einmal eine andere Sicht und Perspektive, „es passiert schon vieles, obwohl nicht wirklich viel an Action passiert“, weiß Kinderarzt Zwiauer. Allein der Blick von außen ist oft schon eine große Hilfe. Und Zwiauer weiß auch, dass wesentlich mehr Kinder und Jugendliche eigentlich psychosomatische Hilfe brauchen, als man auf den ersten Blick erahnen könnte. Das Ziel des engagierten Abteilungsvorstandes: „Wir brauchen ein Department für Psychosomatik, denn die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit psychosomatischen Problemen wächst spürbar. Sie und ihre Familien sind in einer verzweifelten Lage, und es ist so wichtig, ihnen zu helfen, damit daraus keine schweren, chronischen Probleme werden.“
Eines ist Zwiauer besonders wichtig: den Eltern zu sagen, dass es weder um eine „Schuldfrage“ noch um „Versagen“ geht, denn er weiß, dass sich die meisten Eltern Vorwürfe machen. „Wir beobachten, diagnostizieren und therapieren – und entwirren so Situationen und Konstellationen, die entgleist sind. Oft gehen wir zwei Schritte zurück, sehen Dinge anders, bieten Hilfe an.“ Wichtig ist dem erfahrenen Kinderarzt vor allem eines: „Holen Sie sich Hilfe, warten Sie nicht zu lang. Damit schützen Sie sich und Ihr Kind davor, dass aus der Überforderung aller Beteiligten heraus die Situation völlig verfahren wird. In den allermeisten Fällen wird nämlich alles wieder gut.“

Universitätsklinikum St. Pölten
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