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Schlafwandler

„Du oder ich?“ lautet die nächtlich-verschlafene Frage vieler junger Eltern. Wer soll denn nun den eigenen Nachtschlaf unterbrechen, um nach dem Baby zu sehen? Spätestens beim nächsten übernächtigen Frühstück folgt die elterliche Bitte: „Ihr guten Feen der Nacht, lasst doch den Zwerg endlich einmal durchschlafen!“


FOTO: bildagentur waldhäusl

Endlich schlafen – das Baby schlummert friedlich, wenig später: Alarm. Es schluchzt. Wer ist nun gefragt: Mami, weil es gestillt werden möchte und sie ohnedies ihr selektives Gehör aktiviert hat? Papi, weil der Junior einfach mal ein bisschen Abwechslung und Nähe braucht? Oder will das Baby gewickelt werden? Einmal wieder so richtig durchschlafen. Das ist der Wunsch vieler frischgebackener Mütter und Väter. Aber wann wird das sein? In drei Wochen, Monaten, Jahren? Dazwischen gibt es noch viele (Arbeits-)Tage, die voller Elan und Schwung begangen werden wollen. Aber keine Panik, liebe Eltern. Jedes Kind schläft irgendwann einmal durch.
Dr. Ursula Deinsberger, 1. Oberärztin an der Kinder- und Jugendabteilung des Landesklinikums St. Pölten, weiß: „Neugeborene und Babys haben eine andere Schlafarchitektur als Erwachsene. Sie kennen den Tag-Nacht-Rhythmus noch nicht. Außerdem sind ihre REM-Phasen unregelmäßiger.“ Als REM-Phasen bezeichnet man jene Schlafphasen, in denen die Augenbewegungen sehr schnell erfolgen (rapid eye movement). Bei Erwachsenen beträgt diese Zeit etwa ein Viertel der gesamten Schlafenszeit. Typischerweise finden REM-Phasen eher in der letzten Phase der Nachtruhe statt, in dieser Zeit träumen Schlafende. Bei Babys beträgt die Zeit der REM-Phasen etwa neun Stunden, üblicherweise pendeln sich die „erwachsenen Phasen“ bis zum achten Lebensjahr ein. „Eltern sollten sich darauf einstellen, sich anfangs an den Schlafrhythmus des Babys anzupassen.“ Nachtruhe ade, vorläufig jedenfalls, denn so Oberärztin Deinsberger: „Bis etwa zum dritten Lebensmonat schlafen Babys sehr unregelmäßig.“ Diese drei Monate sind allerdings nur ein Richtwert, denn: „Jedes Kind ist individuell zu betrachten“, sagt Mag. Barbara Schogger, Klinische und Gesundheitspsychologin an der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin im Landesklinikum St. Pölten: „Eltern müssen auf die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes eingehen – manche Babys brauchen mehr Zeit, um einen balancierten Tag-Nacht-Rhythmus zu erlernen.“ Man solle sich keinesfalls von Ratgebern verunsichern lassen, meint Schogger, sondern auf das Kind eingehen.

Schlafen lernen kann jeder

„Was also tun, damit das Baby einen guten Schlaf-Wach-Rhythmus erlernt?“, fragen sich übernächtige Eltern. Kinderärztin Deinsberger: „Günstig ist es, das Kind mit Ritualen zu unterstützen. So etwa, dass nach der letzten Mahlzeit Schlafenszeit ist; dass später das Geschichtenvorlesen zum abendlichen Ritual wird. Auch die Schlafumgebung ist wichtig, denn ein dunkles Zimmer signalisiert dem Kind: Jetzt ist Schlafenszeit.“ Im Allgemeinen, so die Medizinerin, schlafen Babys im Alter von sechs bis acht Monaten weitgehend durch. Sollte gerade Ihr Kind nicht zu dieser hoffnungsvollen Gruppe zählen, ist dies kein Grund zur Beunruhigung. Selbst wenn das Baby älter ist, kann man bei Einschlaf- oder Durchschlafproblemen noch nicht von einer „Schlafstörung“ sprechen, dies sei – so Deinsberger – häufig eine Interpretation der Eltern. Andererseits rät Barbara Schogger, die Scheu abzulegen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn das Kind längerfristig an Schlafproblemen leidet. In diesem Fall kann die Psychologin mit einfachen Mitteln herausfinden, warum das Baby nicht ein- oder durchschlafen kann, etwa mithilfe eines „Schlaftage­buches“, in dem Parameter wie Nahrungsaufnahme, Schlafambiente, Störquellen, Tagesablauf und vieles mehr dokumentiert wird.

Nicht jedes Problem ist eine „Störung“

Schlafschwierigkeiten können viele Ursachen haben. Barbara Schogger: „Viele Kinder werden heute mit Reizen überflutet. Selbst wenn die Eltern nur das Beste wollen, ist es nicht von Vorteil, ihm zu viele Reizangebote zu geben.“ Einschlafuhren, singende Teddys oder Schlaflicht helfen nach einem „actionreichen“ Tag, bei dem das Baby nie zur Ruhe kommt, nicht beim Einschlafen. Schogger: „Wichtig ist es, vor dem Schlafengehen für eine ruhige Stimmung zu sorgen, dem Baby eine wohlige Schlafumgebung zu bieten; ideal ist eine Zimmertemperatur von 18 Grad.“ Darüber hinaus, so die Kinderpsychologin, ist es ganz normal, dass Babys schlechter schlafen, wenn sie einen Entwicklungsschub durchmachen: „Entwicklungsschübe kommen so um das dritte, danach um das 7. bis 9. Lebensmonat sowie mit etwa zwei Jahren; in dieser Zeit ist es nicht ungewöhnlich, wenn Babys quengelig und unruhig sind und nicht gut schlafen.“

Im Bett bei Papi und Mami?

Die Frage: „Darf das Kleine bei den Eltern schlafen?“ wirft mitunter elterliche Diskussionen auf. Hier rät die Medizinerin: „Das ist eine persönliche Entscheidung, die Eltern individuell treffen müssen.“ Aus ärztlicher Sicht rät Deinsberger, beim Teilen des Nachtlagers auf die Schlaftemperatur zu achten, denn ist es zu heiß für das Baby, besteht das Risiko des plötzlichen Kindstods (SIDS, sudden infant death). Die Varianten nächtlicher Ruhestätten für Minis sind ja vielfältig: ob im eigenen Babybett im Elternzimmer, ob im Kinderbett neben der Mama (zwecks Stillen) oder zwischen Papi und Mami – Kombinationen gibt es viele; gut ist jene Lösung, die alle zufrieden stimmt. Wenn jedoch einmal eine Schlafstation gewählt wurde, sollten Eltern diese auch beibehalten und nicht jeden Tag Neues probieren – oder gar mit dem Baby vor dem Fernseher einschlafen. Freilich, es gibt Ausnahmen, wenn das Baby zur großen Feier mitgenommen wird, kann es schon mal im Kinderwagen schlafen. Deinsberger: „Grundsätzlich ist es günstig, einen ruhigen Schlafplatz zu finden, doch Babys sind anfangs nicht so empfindlich bei Umgebungslärm.“
Übrigens: Ihr Baby ist kein Bettnässer, wenn es mit eineinhalb, zwei Jahren noch mit Windel schläft und gewickelt werden will. Nässt es mit fünf oder sechs Jahren ein, sollten Eltern der Sache auf den Grund gehen. „Wichtig ist es hier, abzuklären, ob das Baby vielleicht abends zu viel trinkt – in Problemfällen untersuchen wir Harn und Blase, etwa mit Ultraschall, und können so eine Erkrankung ausschließen“, erklärt die
Kinderärztin.
Ob sich das Kind zu einem Frühaufsteher oder zu einem Langschläfer entwickeln wird, ist im Babyalter noch nicht absehbar. Ursula Deinsberger: „Diese Eigenschaften sind angeboren, sind in unserer Chronobiologie verankert. Manche sind eben abends besser drauf, andere morgens.“ Doch bis sich die Schlafvorliebe Ihres Kindes herausstellt, vergehen noch viele schlaflose Nächte, liebe Eltern. Versprochen.

So lernt Ihr Baby einen guten Schlaf-Wach-Rhythmus


  • Setzen Sie Rituale fest (Abendessen, Geschichte vorlesen, gemeinsame Zeit etc.).
  • Sorgen Sie für ein wohliges Schlafambiente: dunkel, still, richtige Temperatur (ca. 18 Grad).
  • Achten Sie darauf, Ihr Baby nicht mit unnötigen Reizen zu überfluten.
  • Lassen Sie sich von Ratgebern, die unterschiedliche Empfehlungen geben, nicht verunsichern.
  • Ihr Baby ist ein individuelles Geschöpf mit individuellen Bedürfnissen – gehen Sie darauf ein.
  • Bleiben Sie konsequent in Ihren Ritualen, Schlafenszeiten und Schlafambiente.