Motiviert – zum Sport und im Leben
GESUND&LEBEN traf die NÖ Spitzenathletin Beate Schrott und ihren Mental-Coach Sportpsychologin und Ex-Leistungssportlerin Mag. Judith Draxler-Hutter zum Doppelinterview.
Mag. Judith Draxler-Hutter war über zwei Jahrzehnte lang Weltklasseschwimmerin.
Als Sportpsychologin vereint sie fundiertes psychologisches Know-how mit ihren Erfahrungen aus dem Spitzensport und betreut seit 1997 erfolgreich Athleten und Trainer aller Leistungsklassen. Die Gesundheitspsychologin arbeitet als Personal Coach in der Wirtschaft und vermittelt bei Vorträgen und Seminaren erfolgreiche Strategien aus dem Spitzensport zur Anwendung im Business und Privatleben.
Informationen:
www.erfolgswelle.at
Beate Schrott
Geboren am 15. April 1988 in St. Pölten
Wohnorte: Wien,
St. Pölten, Arnheim
Bestleistung 100 m
Hürden: 12,82 Sekunden, Luzern, 17.07.2012
Bestleistung 60 m Hürden (Halle): 7,96 Sek., Wien, 23.02.2013
Olympia-Achte London 2012, EM-Vierte Helsinki/Finnland 2012
Österreichische Aufsteigerin des Jahres 2012,
österreichische Leichtathletin des Jahres 2011, 2012, 2013, 2. Rang in der Wahl zur Sportlerin des Jahres 2012
Informationen:
www.beateschrott.at
Wie schafft man es, den inneren Schweinehund zu besiegen und regelmäßig zu trainieren? Und vor allem: Wie bleibt man am Ball, wenn es einmal nicht so gut läuft? Für Österreichs Top-Hürdensprinterin Beate Schrott ist das, wie für viele Spitzensportler, ein wichtiges Thema. Sie hat in der Sportpsychologin Mag. Judith Draxler-Hutter eine fachkundige und empathische Begleiterin gefunden, die sie gekonnt auch durch schwere Zeiten lotst.
Es war bei der Galanacht des Sports 2012 – Beate Schrott wurde als Aufsteigerin des Jahres geehrt. Damals wurde ihr ganz deutlich bewusst, wie sehr sie ihren Sport liebt und wie glücklich sie der Erfolg macht. Sie hatte davor bei den Olympischen Sommerspielen in London ihre persönliche Bestzeit geliefert: 100 Meter Hürden im Halbfinale in 12,83 Sekunden. Im Finale belegte sie überraschend Platz 8 und war damit in der Weltspitze gelandet. Der Höhepunkt der Karriere der jungen Medizinstudentin aus Niederösterreich. Doch danach verletzte sie sich. Gleich zwei Mal. Und nach einem Trainingssturz im heurigen Frühjahr musste sie Anfang Juni sogar ihr Heimrennen absagen, das Liese-Prokop-Memorial.
Wie geht man damit um? Wie findet man den Weg zurück? Wie motiviert man sich selbst, um wieder an die Spitze zu kommen?
Beate Schrott: Nach der ersten Verletzung ging es wieder gut bergauf. Doch dann kam die zweite Verletzung, und die war für mich richtig heftig. Wie sollte ich meinem Körper noch vertrauen?
Judith Draxler-Hutter: Spitzensportler entwickeln in so einer Situation schnell Theorien der Hilflosigkeit. Doch da muss man bewusst eingreifen und gezielt jene Dinge verändern, die man verbessern kann, wie zum Beispiel das Muskelaufbau-Training. Und sich klarmachen: Im Sport ist das Risiko hoch, sich zu verletzen, das ist ein Faktum. Ich habe die Kontrolle und bin nicht Spielball des Schicksals.
Schrott: Nach der zweiten Verletzung habe ich im Vorjahr deshalb alles geändert, arbeite seither mit einem neuen Trainer und trainiere in den Niederlanden. Mental zieht so ein Schritt Nachwehen nach sich, aber es war der richtige Schritt. Mit Judith habe ich viel darüber geredet, das hilft. So kann ich mich mit voller Leidenschaft auf das Training einlassen und weiß es zu schätzen, auch wenn es hart ist. Ich genieße die schönen Momente, die schweren gehören eben dazu.
Wie motivieren Sie sich Tag für Tag zum Training?
Schrott: Mir macht die Leichtathletik unglaublich großen Spaß, das ist meine eigentliche Motivation. Selbst die harten Trainingseinheiten mag ich gerne. Ich wäre sehr unzufrieden mit mir selbst, wenn ich die harten Trainingseinheiten nicht schaffen würde. Ich trainiere immer mit großem Ehrgeiz und viel Konsequenz. Wer Sport machen möchte, dem kann ich nur sagen: Such dir was, das dir wirklich Spaß macht. Dann kann man auch dranbleiben, wenn es einmal nicht so leicht von der Hand geht.
Draxler-Hutter: Man braucht Ziele, man muss sich klar sein, was man erreichen will. Auch für Beate ist es wichtig, positive Ziele zu formulieren. Wer regelmäßig Bewegung machen möchte, um gesund zu sein oder abzunehmen, formuliert zum Beispiel: „Ich will fit sein“. Nicht so wirksam sind negative Formulierungen wie „Ich will Gewicht verlieren“. Wichtig ist, dass man sich ein Ziel setzt, etwas, das man wirklich erreichen will und bei dem man mit Leidenschaft dranbleibt.
Mit Leidenschaft?
Draxler-Hutter: Ja, genau. Zwei Faktoren sind entscheidend für die Motivation, das weiß ich auch aus meiner eigenen Zeit als Leistungssportlerin: Leidenschaft und Neugier. Beide braucht man, um sich immer wieder zu motivieren. Denn im Spitzensport wie im Gesundheitssport gibt es immer wieder Trainingseinheiten, die einem schwerfallen, die zäh sind oder unangenehm. Da hilft es enorm, wenn man mit Leidenschaft an das Thema herangehen kann. Und die Neugier oder Entdeckungslust ist ein wichtiges Motiv zur Grundsteuerung, wenn man was erreichen oder werden will: ausprobieren, Grenzen ausloten, Dinge hinterfragen und Dinge immer wieder anders machen.
Wie setzt man sich gute und hilfreiche Ziele?
Schrott: Ein Ziel muss man sich als Gefühl setzen, zum Beispiel wie es ist, leichtfüßig an der Traisen entlangzulaufen. Dann kann ich, was in mir drin ist, bestmöglich ausschöpfen. Ich wollte 100 m Hürden unter 13 Sekunden laufen – das hab ich geschafft. Jetzt will ich wieder dorthin kommen, wo ich vor den Verletzungen war.
Draxler-Hutter: Wenn man seinen Lebensstil ändern will, sollte man sich die Ziele sehr genau anschauen, damit man sie nicht zu hoch setzt und nicht in die falsche Richtung geht. Und sich fragen: Was bin ich bereit, dafür zu tun? Worauf bin ich bereit, zu verzichten? Kann ich in der Familie eine Aufgabe delegieren, damit ich es organisatorisch durchhalte? Mit welchen Hindernissen muss ich rechnen? Was muss ich bedenken, damit ich mir ein neues Verhalten angewöhnen kann? Es ist gut, wenn man dabei langfristig denkt, denn es dauert eine Weile, bis das neue Verhalten zur Gewohnheit wird.
Und wie geht man mit Misserfolg um? Wie haben Sie das bei den Verletzungen gemacht?
Schrott: Es ist wichtig, eine Negativ-Spirale aufzubrechen und sich Etappenziele zu setzen.
Draxler-Hutter: Beate weiß, dass es Rückschläge gibt, dass Entwicklungen nicht immer geradlinig verlaufen und dass es nichts Schlechtes ist, wenn man Ziele immer wieder anpassen und neue gute Ziele finden muss. Verletzungen sind Umwege. Man muss innehalten, schauen, „was es gebracht hat“, sich auf seine Stärken besinnen, neue Ziele aufsetzen und Ressourcen einsetzen, die man vielleicht früher gar nicht verwendet hat. Man richtet sozusagen sein GPS neu aus, fragt sich selbst: „Tut mir das im Moment noch gut? Ist es die Sache wert? Was, wenn ich das Ziel nicht erreiche?“
Schrott: Dass man Ziele nicht erreicht, dass man versagt, das gehört einfach dazu. Niemand kann nur gewinnen. Ich habe schon bei so vielen Wettkämpfen versagt.
Draxler-Hutter: Für die Motivation ist es sehr wichtig, dass man das Gefühl zu versagen zulässt, dass man es nicht verhindern will. Man darf sich ärgern, man darf enttäuscht sein. Dann schaut man sich die Ursachen an und kann was verändern. Perfektionismus sollte man ganz schnell ablegen.
Und wie findet man den richtigen Sport?
Schrott: Ausprobieren. Es gibt so viele Wege, fit zu sein. Ich mag zum Beispiel nicht Rad fahren. Aber als Kind mit meiner Mutter Aerobic zu machen, das hat Spaß gemacht. Ich geh gern klettern. Man muss Sachen ausprobieren, um zu wissen, was einem gefallen könnte.
Draxler-Hutter: Meine Tochter ist jetzt neun Jahre alt. Ich versuche, möglichst viel mit ihr zu machen, zum Beispiel Rad fahren und wandern. Ich selbst mach jetzt Krafttraining ohne Geräte im Wohnzimmer, damit meine Bauch- und Rückenmuskeln stark sind und meine Haltung gut ist. Und ich nehme jede Stiege. Es geht mir um einen bewegten Lebensstil.
Was kann man denn von Spitzenathleten in Sachen Motivation lernen?
Draxler-Hutter: Wie man mit seinem Schweinehund umgeht – der US-amerikanische Schwimmer Michael Phelps hat einmal gesagt: „Wenn der Wecker läutet, gehe ich so schnell aus dem Bett und zum Training, dass mein Hirn sich gar nicht einmischen kann.“ Spitzenathleten denken nicht darüber nach, ob sie jetzt trainieren oder nicht, sie tun es einfach. Man kann sich zum Beispiel am Abend genau vorstellen, wie man in der Früh trainiert. Und was auch hilft: Trainingspartner. Dass dann beide absagen, ist eher unwahrscheinlich.