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Fein sein, beinander bleib’n

Das Projekt „MahlZeit!“ zeigt, wie es gelingen kann, älteren und alleinstehenden Menschen am Land Gesellschaft und Freude zu verschaffen.


Mittagstisch beim Mohnwirten in Armschlag/Sallingberg. Foto: nadja meister

So schön die Landschaft ist und so attraktiv die Natur – wie viele andere ist auch die Kleinregion Waldviertler Kernland mit den typischen Herausforderungen dünn besiedelter Landstriche konfrontiert: Die Jugend wandert ab, es gibt nur mehr wenige lokale Kleinbetriebe, oft bleiben nur die Älteren, und viele von ihnen leben sehr isoliert und finden wenig Zerstreuung und Miteinander.
Das Projekt „MahlZeit!“ (siehe Kasten Seite 51) will dem auf leise Weise entgegentreten und die Älteren und alleinstehenden Gemeindebürger (wieder) ins Boot der Gemeinschaft holen. Im Zentrum des Projekts stehen gemeinsame Mittags­tische bei Gastwirten der Region, bei denen die Senioren die Möglichkeit haben, ein Essen in
netter Gesellschaft zu verbringen und danach
vielleicht noch ein kleines Nachmittagsprogramm zu genießen. Im wahrsten Sinne abgeholt dazu werden sie von ehrenamtlichen Gastgebern, die für eine entspannte Runde sorgen und das
gesellige Beisammensein im Anschluss begleiten.

Weniger ist oft mehr
Ein solches Gastgeber-Ehepaar sind Elfi und Werner Bock aus Sallingberg, die seit Februar dieses Jahres und damit seit Projektstart die „MahlZeit!“-Treffen mit Engagement und Freude an der Sache begleiten. Ihre Tätigkeit beginnt oft mit „Erinnerungsarbeit“: „Es gibt zwar einen Flyer, auf dem alle Termine der ‚MahlZeit!‘-Treffen der nächsten Zeit vermerkt sind, doch die älteren Menschen vergessen das leicht. Also rufen wir diejenigen, für die das eine nette Abwechslung sein könnte, auch persönlich an und fragen nach, ob sie kommen wollen“, erzählt Elfi Bock. Kommen wollen manchmal viele, öfter auch wenige, doch bei „MahlZeit!“ geht es nicht um Quantität und Masse. Denn oft ist weniger mehr. „Es geht einfach darum, ein Mittagessen in netter Gesellschaft zu genießen. Der jeweilige „MahlZeit!“-Wirt richtet einen Tisch und serviert ein gutes, preiswertes Menü. Dann wird gegessen, getrunken, geplaudert, gelacht, Erinnerungen und Tratsch werden ausgetauscht. So wird das Essen, das für viele Alleinstehende zu Hause oft kaum Genusswert hat, wieder zur Freude“, sagt Werner Bock, für den die Begleitung der „MahlZeit!“-Treffen mittlerweile zum fixen Bestandteil seines Lebens geworden ist.

Wie es eben so ist
Das sind sie auch für viele Seniorinnen und Senioren, für die das Ehepaar Bock als Gastgeber
fungiert. An diesem Tag, zum gemeinsamen Mittagstisch beim Mohnwirten in Armschlag/Sallingberg, holen die Bocks zunächst einmal die 90-jährige Nachbarin Maria ab, die alleine lebt. Fürsorglich hilft Werner Bock der alten Dame in den Mantel und lässt sie in sein Auto einsteigen, und ebenso fürsorglich begleitet er sie beim Mohnwirten an den schon gedeckten Tisch. Auch Elfriede, 75, und Gertrude, 85, haben sich eingefunden, und der Tisch beginnt schnell von Gesprächen zu summen. Das heutige Menü bietet Kürbiscremesuppe und Fleisch-, Grammel- oder Mohnknödel. Man freut sich aufs Essen, genießt es, nicht selbst kochen zu müssen und nette Gesellschaft zu haben. Die Gespräche drehen sich ums Alltägliche, denn man kennt einander seit langer Zeit. Dann macht der Wirt seine persönliche Begrüßung, und das Essen wird serviert. Es wird still, und man genießt – wie es eben so ist.

Selbstbestimmung ist alles
Tatsächlich ist „MahlZeit!“ kein spektakuläres Projekt, vieles ist so, wie es eben ist, und das ist durchaus gewollt. „Es steht und fällt mit Selbstbestimmung“, sagen die Geschäftsführerin von Waldviertler Kernland, Doris Maurer, und die Projektbetreuerin Regine Nestler, die wir auch beim Mohnwirten treffen. „Die Art, wie die Mittagstische und die daran anschließenden Nachmittage geführt werden, hängt ganz davon ab, welche Ideen die Gastgeber dazu haben. Anfangs hatten manche von ihnen Bedenken, nicht kreativ genug zu sein, doch mittlerweile läuft es sehr gut. An den Nachmittagen gibt es oft ein vielfältiges Programm, das von gemeinsamen Spielen, kleinen Ausflügen, Vorträgen, Diashows, Musik- und
Tanzangeboten und vielem mehr reicht.“
Elfi Bock zum Beispiel zeigt öfters Diashows von ihren Reisen und Ausflügen. „Ich stelle das gerne am Computer zusammen, und wenn ich es dann bei „MahlZeit!“ zeige und sehe, wie gut das ankommt, freue auch ich mich“, sagt sie offen. Sie berichtet auch vom gemeinsamen Anschauen alter Ansichten aus ihrem Heimatort Sallingberg – ebenfalls eine Aktivität, die bei den älteren Herrschaften auf viel Resonanz stieß. Doris Maurer und Regine Nestler erinnern sich hingegen gern an jenen Nachmittag, an dem man einen neu errichteten Kinderspielplatz besuchte und zwei ältere Herren sich voller Begeisterung auf die Schaukel schwangen. Oder an den Spaziergang am Heilpflanzenweg in Ottenschlag, bei dem eine alte Dame berichtete, was ihre eigene Großmutter noch alles mit Heilpflanzen anzustellen wusste. Oder an die zwei lang verwitweten, vereinsamten Damen, die man mit ein wenig „Nachhilfe“ zu den „MahlZeit!“-Treffen brachte und die jetzt immer wieder kommen.

Nicht um jeden Preis „bespaßen“
Allzu viel „Nachhilfe“ ist bei „MahlZeit!“ allerdings nicht gefragt. „Man darf die Leute auch nicht um jeden Preis bespaßen, denn das mögen sie nicht. Vielen genügt wirklich das gemeinsame Essen und die entspannte Plauderei dabei“, sagt Werner Bock. Damit hat er auch an diesem Tag den Nagel auf den Kopf getroffen, denn die drei Damen haben ohnehin ihren Spaß miteinander und mit ihren Gastgebern, die die Gespräche immer wieder in Schwung bringen.
Wie man das macht oder welche Erfahrungen andere Gastgeber von „MahlZeit!“ machen, erfahren die Bocks auch bei den regelmäßig stattfindenden Vernetzungstreffen. „Da kann man sich auch Ideen holen, sich von den Erlebnissen der anderen inspirieren lassen oder einfach über unsere Aufgabe plaudern“, sagt Elfi Bock. Inzwischen ist es Nachmittag geworden, die „MahlZeit!“-Gäste sind schon etwas müde und wollen nach Hause. Man kann sicher sein, dass Elfi und Werner Bock sie fürsorglich wieder dorthin bringen werden – bis zur nächsten MahlZeit.

„MahlZeit!“
Das Projekt „MahlZeit!“ wird von den 13 Gemeinden der Kleinregion Waldviertler Kernland getragen. Projektbetreiber ist die „ARGE Senioren Mobil“; der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) und das Land Niederösterreich fördern es. In jeder der 13 Gemeinden der Kleinregion gibt es einen „MahlZeit!“-Wirten, bei dem
ein- bis zweimal im Monat ein Treffen stattfindet. 21 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten die Mittagstische als Gastgeber und sorgen dafür, dass im Anschluss noch eine gemeinsame Aktivität stattfindet. Wichtig ist, dass alles selbstbestimmt ist – die älteren Personen regen die Nachmittagsgestaltung selbst an und entscheiden über ihre Teilnahme. Seit dem Projektstart im Februar bis zum 30. September 2016 haben an den insgesamt 156 „MahlZeit!“-Treffen 1.819 Personen teilgenommen.