< vorhergehender Beitrag

Bloß keine Zeit verlieren

Schlaganfall ist Notfall! In Niederösterreich garantiert ein vorbildliches Stroke-Unit-System die bestmögliche Behandlung dieser gefährlichen Durchblutungsstörung.


FOTO: Bildagentur waldhäusl

Landesklinikum Tulln
Alter Ziegelweg 10
3430 Tulln
Tel.: 02272/9004-0
www.tulln.lknoe.at

Es ist alles andere als ein harmloses „Schlagerl“, das in Niederösterreich jährlich mehr als 6.000 Menschen trifft und schlimmste gesundheit­liche Folgen nach sich ziehen kann. „Das Fatale am Schlaganfall ist, dass er nicht weh tut. Herr und Frau Österreicher tendieren dazu, wenn sich etwas Auffälliges zeigt, das nicht schmerzt, lieber zu
warten, bis der Hausarzt Zeit hat. Doch bis dahin sind in der Regel schon irreversible Schädigungen entstanden“, warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael
Brainin, Leiter der Abteilung Neurologie am
Landesklinikum Tulln. „Ein Schlaganfall ist ein Notfall, und man muss sofort – ohne den geringsten Zeitverlust – die Rettung rufen, die den Patienten sofort in eine spezielle Schlaganfalleinheit bringt.“

Notfallexperten gefragt

Österreichweit trifft der Notfall Schlaganfall Jahr für Jahr rund 20.000 Menschen und verursacht – je nachdem, welches Gehirnareal von der plötzlichen Durchblutungsstörung betroffen ist – unterschiedliche Symptome. Meist entstehen halbseitige
Lähmungen, Sprach- und Gefühlsstörungen oder ein Mundwinkel hängt herab.
Der Schlaganfall ist kein reines „Altersproblem“, er kann Menschen jeden Alters treffen – auch Kinder, sogar Ungeborene im Mutterleib. Die wichtigsten Risikofaktoren bei den Kleinen und Kleinsten sind Blutgerinnungsstörungen und Herz- und Gefäßerkrankungen. Und das häufigste Symptom bei Neugeborenen sind Krampfanfälle. Dazu kommen uncharakteristische Symptome wie Atem­störungen, Muskelschwäche und Bewegungs­armut sowie Bewusstseinsstörungen. Erst wenn die Kinder älter werden, treten auch bei ihnen die oben beschriebenen „klassischen“ Symptome für einen Schlaganfall in den Vordergrund. 
„Time is brain“ heißt es bei jedem Schlaganfall für die Notfallexperten, die notwendigen medizinischen Untersuchungen müssen sofort durch­geführt werden. Je nach Blutungsstärke reicht die Behandlung von einer neurologischen Überwachung in der Klinik bis hin zu einem operativen Eingriff. Bei Schlaganfall ist auch eine rechtzeitige Thrombolyse-Therapie sinnvoll oder notwendig. Dabei wird das Blutgerinnsel medikamentös aufgelöst, der Gefäßverschluss beseitigt und damit
die Durchblutung wiederhergestellt.

Wieder fit für den Alltag

Die ehestmögliche Behandlung auf einer Stroke Unit (spezielle Schlaganfalleinheit) führt – wie große internationale wissenschaftliche Untersuchungen zeigen – für die Betroffenen eindeutig zu einem besseren Ergebnis als die Behandlung an einer allgemeinen Krankenstation, denn die Profis, die dort agieren, sind am besten in der Lage, die Therapie perfekt zu managen. Und diese Therapie erfordert auch das reibungslose Zusammenspiel verschiedener medizinischer Berufsgruppen – sprich Fachärzte, diplomiertes Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Sozialarbeiter. Sie alle versuchen, den Schaden zu begrenzen, denn leider leidet ein Drittel der Patienten an mäßigen und ein weiteres Drittel an schwerwiegenden Folgebeschwerden. Aber: Mit entsprechender Pflege und Rehabilitation, die in den niederösterreichischen Landes­kliniken nach international anerkannten Konzepten erfolgt, können viele Patienten für den Alltag draußen wieder fit gemacht werden.

Schluckstörungen exakt managen

Eine große Herausforderung für die Pflege bei Schlaganfall sind Schluckstörungen, unter denen jeder zweite Betroffene leidet. Hilfe bietet das von der im Landesklinikum Tulln tätigen Logopädin Michaela Trapl entwickelte „Gugging Swallowing Screening“ (GUSS), das betroffene Patienten genau herausfiltert und exakt diagnostiziert. Damit kann entschieden werden, welche Speisen und Getränke die Patienten bekommen können, um Komplika­tionen zu vermeiden. GUSS findet übrigens weltweit Anerkennung, das Screening wurde von vielen Ländern für die Arbeit mit Schlaganfallpatienten übernommen.

Hilfe bei Depression

Wichtig für etwa ein Drittel der Schlaganfall-Betroffenen ist die ärztlich-psychologisch-psychotherapeutische Hilfe bei depressiven Verstimmungen. Denn: Ein Schlaganfall reißt den Betroffenen mitten aus dem Leben, Freunde ziehen sich häufig zurück oder reagieren mit übertriebener Hilfs­bereitschaft. Vereinsamung ist dann oft ein Thema, überdies können Schmerzen in der gelähmten Körperhälfte bzw. im gesamten Bewegungsapparat zu schaffen machen. Häufig sind auch die Angehörigen überfordert, rat- und mutlos und
leiden selbst mit.

Neue Erkenntnisse und Erfolge

Viel entwickelt sich in der Forschung zum Thema Schlaganfall weiter. So weiß man heute, dass die „sehr frühe Rehabilitation“ gegenüber der üblichen sogenannten „Frührehabilitation“, die in der Regel erst nach einigen Tagen beginnt, Vorteile hat. Experte Brainin dazu: „Wir brauchen eine kompetente Sofort-Rehab, denn die Reparaturprozesse, die im Gehirn ablaufen, setzen innerhalb von
72 Stunden ein. Daher ist es wichtig, die Akut­betreuung sehr rasch mit der Frührehabilitation zu verknüpfen.“
Neue Erkenntnisse gibt es auch hinsichtlich medizinischer Behandlungsoptionen. Brainin: „Die Lysetherapie ist verlässlicher geworden. Auch das Zeitfenster, innerhalb dessen die Akutversorgung stattfinden muss, lässt sich heute etwas ausdehnen: von drei auf viereinhalb Stunden. Zudem können wir auch immer ältere Menschen – früher lag die Altersgrenze bei 80 Jahren – behandeln, und bei den großen Verschlüssen erzielen wir teilweise mit dem Einsatz von Katheterlysen gute Erfolge. Bei dieser neuen Therapie wird ähnlich wie beim Herzkatheter ein Hirnkatheter gelegt und der Gefäßverschluss lokal beseitigt.“ Eines noch zum sogenannten „harmlosen Schlagerl“, das in Wirklichkeit ein sehr ernstes Warnzeichen für einen drohenden Schlaganfall ist: Etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle kündigen sich durch transitorische bzw. vorübergehende ischämische Attacken (TIA) an. Diese äußern sich häufig in plötzlicher halb­seitiger Schwäche, vorübergehendem Taubheitsgefühl im Gesicht oder Arm, jeweils eine Körperhälfte betreffend, oder plötzlichen Sprachstörungen, die oft nur wenige Minuten, selten auch einige Stunden andauern können. Viele tun deshalb derartige Symptome ab, denken an harmlosere Ursachen wie Migräne oder Kreislaufprobleme oder interpretieren die Beschwerden als altersbedingt. „Unbehandelt können die Betroffenen kurz darauf mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schlaganfall mit bleibenden Ausfällen erleiden“, warnt Experte Brainin eindringlich.

Den Schlaganfall verhindern

Brainin rät auch, rechtzeitig ein Bewusstsein für das persönliche Risiko zu entwickeln. „Wir wissen, dass die Risikofaktoren, die man im früheren und mittleren Lebensalter hat, die prägendsten für die spätere Entstehung eines Schlaganfalls darstellen. Es geht also darum, schon in dieser Zeit und nicht erst im höheren Lebensalter gesundheitsbewusst zu leben.“
Was also kann man selbst tun? Den Bluthochdruck durch entsprechende Lebensstilmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Bewegung und richtige Ernährung bzw. auch medikamentös „im Griff“ zu behalten ist eine sehr wichtige und wirkungsvolle Präventionsmaßnahme. Nicht zu rauchen ist die zweite Maßnahme. Ferner kochsalzarme Ernährung, die gegen Bluthochdruck wirkt. Die Experten empfehlen pro Tag nur fünf Gramm Kochsalz zu sich zu nehmen. Brainin: „Das kann man gut erreichen, indem man das fertige Essen nicht nachsalzt. Die Geschmacksnerven gewöhnen sich schnell an diese Umstellung und belohnen uns dafür, indem sie uns bald feinste, vorher nicht wahrgenommene Nuancen des Essens erleben lassen.“ Lassen Sie sich diese Experten-Empfehlungen gesagt sein und rüsten Sie sich gegen den Notfall Schlaganfall!

Schlaganfallversorgung in Niederösterreich

  • Die Stroke Units in Niederösterreich blicken auf 15 erfolgreiche Jahre zurück.
  • Die erste akute Stroke Unit wurde am Landeskrankenhaus Gugging (nunmehr übersiedelt ins Landesklinikum Tulln) aufgebaut und in Betrieb genommen.
  • Heute verfügt das Land über sechs Stroke Units (Horn, Mauer, Mistelbach, St. Pölten, Tulln, Wiener Neustadt) und ein Netzwerk, innerhalb dessen 90 Prozent aller Schlaganfallpatienten binnen 45 Minuten zu einer solchen Schlaganfalleinheit transportiert werden können. In den meisten Fällen sind die Wegzeiten noch kürzer.
  • An Stroke Units erfolgt – meist im Anschluss an eine Notfallaufnahme – die unmittelbare Erstversorgung, Thrombolyse wird durchgeführt, Komplikationen vermieden, Schluckassessment gemacht und die Schiene für die weitere Akutversorgung und Frührehabilitation gelegt.
  • Das Netzwerk der niederösterreichischen Stroke Units funktioniert mustergültig und wird auch international anerkannt und bewundert.

Woran erkennt man einen Schlaganfall?

  • Plötzliche Schwäche oder Lähmung einer Körperseite: Ein Bein und/oder Arm gehorcht nicht mehr und ist kraftlos. Auch das Gesicht kann betroffen sein. Der Mundwinkel hängt unnatürlich herab – oft ohne dass es dem Betroffenen selbst auffällt. 
  • Sprachstörung: Die Sprache des Betroffenen ist schwer verständlich oder unverständlich. Falsche Wörter werden verwendet oder sinnlose Sätze gebildet. Auch das Sprachverständnis kann in Mitleidenschaft gezogen sein, und der Betroffene kann beispielsweise einfachste Anweisungen nicht befolgen.
  • Sehstörungen: Eine Raumhälfte wird nicht mehr oder nur unzureichend wahrgenommen. Beim Lesen oder Fernsehen ist plötzlich eine Hälfte des Buches bzw. Bildes verschwunden. Man stößt immer wieder auf Hindernisse, die man nicht sieht.
  • Taubheitsgefühl in einer Körperhälfte 

Sofort die Rettung rufen!

Schlaganfall – die Fakten

  • Jährlich erleiden ungefähr 20.000 Österreicher einen Schlaganfall, das bedeutet ein Schlaganfall alle 6 Minuten!
  • Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Österreich: Bei Frauen gehen rund 15 Prozent der Todesfälle auf einen Schlaganfall zurück, bei Männern sind es rund zehn Prozent.
  • Zwei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren sind von Schlaganfall betroffen, im Altersbereich von 65 bis 74 Jahren sind es sechs Prozent, bei den über 75-Jährigen über zehn Prozent. Durch die Zunahme des Anteils älterer Personen an der Bevölkerungsstruktur ist mit einem Anstieg in den nächsten Jahren zu rechnen.

Quelle: Österreichische Schlaganfallgesellschaft