Wider den blauen Dunst
Noch nie gab es so viel effiziente Unterstützung für entwöhnwillige Raucher wie heute. Mitentscheidend für den Erfolg ist aber auch die echte Bereitschaft zum Aufhören.
„Es gibt nichts Leichteres, als mit dem Rauchen aufzuhören. Ich selbst habe es schon 137 Mal geschafft.“ Das wusste der für seine Geschichten über Tom Sawyer und Huckleberry Finn berühmte amerikanische Schriftsteller Mark Twain schon Mitte des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich ist es für viele Menschen wirklich nicht einfach, dem blauen Dunst abzuschwören, aber: Es gab noch nie so viele effektive Unterstützungsmöglichkeiten wie heute. Und: Jeder dritte der rund 2,3 Millionen Raucher in Österreich, von denen jeder einzelne pro Jahr durchschnittlich 5.300 Zigaretten raucht, denkt immer wieder ans Aufhören.
Ein Vorsatz freilich, der alle Jahre tausendfach gefasst und im Alltag genauso regelmäßig wieder vergessen wird, denn für die einen ist die Zigarette der Inbegriff des Genusses, für die anderen betäubt sie Nervosität und Stress, und schließlich gibt es auch noch Raucher, die wie der französische Dichterfürst Molière meinen, dass wer ohne Tabak lebt, nicht würdig ist zu leben. Heute weiß man allerdings, dass Rauchen nicht nur Gewohnheit, sondern auch eine echte Sucht mit Krankheitswert ist, die psychisch und körperlich abhängig machen kann.
„In einer Zigarette befinden sich mehrere hundert Inhaltsstoffe, von denen vor allem das Nikotin extrem schnell anflutet und dadurch die vom Raucher erwünschte, als angenehm, beruhigend oder sogar leicht euphorisierend empfundene Wirkung entfaltet, die allerdings nur für kurze Zeit anhält“, erklärt der Lungenfacharzt OA Dr. Michael Lachmann vom Landesklinikum Hochegg. „Schon nach wenigen Minuten fällt dieser Wirkspiegel wieder ab, und wer daran gewöhnt ist, entwickelt rasch wieder den Wunsch nach dieser Wirkung.“
Eine ziemlich fatale Geschichte also, zumal die meisten Raucher sich sehr schnell selbst Muster knüpfen, nach denen sie immer und immer wieder zum Glimmstängel greifen. Neuesten Forschungen zufolge gibt es dabei übrigens eklatante Unterschiede zwischen den Geschlechtern, denn während Frauen in erster Linie rauchen, um psychische Verstimmungen bis hin zur Depression zu bekämpfen, tun Männer dies vor allem, wenn sie sich an positive Erlebnisse im Zusammenhang mit Zigaretten erinnern.
Ein „Lifestyleproblemchen“?
Andererseits wird Rauchen gesellschaftlich nach wie vor als eine Art „Lifestyleproblemchen“ angesehen, dem man nicht unbedingt abschwören muss, und wenn man es doch tun will, so wird einem vielfach vorgegaukelt, dass die Sache ohnehin ganz leicht zu bewerkstelligen sei. Dass dem nicht so ist, weiß die fachliche Leiterin des von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) betriebenen Rauchertelefons, Mag. Melanie Stulik, Klinische und Gesundheitspsychologin: „Nikotin hat das höchste Suchtpotenzial aller Suchtmittel und ist etwa im Vergleich zu Heroin oder Kokain sogar noch schneller wirksam. Trotzdem hört und liest man immer wieder, man brauche, um aufzuhören, nur ein wenig Willenskraft, und schon klappt es. Das ist aber sehr oft nicht der Fall, denn es gehört zum Wesen aller Suchterkrankungen, dass man sich auf das Aufhören sehr gut vorbereiten muss, und sich auch fachliche Unterstützung, wie wir sie etwa bieten, holen kann und soll.“ (siehe Kasten)
Motive, „es“ zu tun, gibt es viele: Für die allermeisten steht die Angst vor tabakassoziierten Krankheiten wie Lungenkrebs oder Schlaganfall im Vordergrund, und sehr viele Raucher bemerken auch mit Sorge, dass sich ihre körperliche Leistungsfähigkeit verringert hat. „Weitere häufige Motivationen sind Schwangerschaft oder der Schutz der eigenen Kinder vor den Folgen des Passivrauchens“, sagt die Psychologin Stulik. „Viele verspüren aber auch den Wunsch, endlich wieder unabhängig von Zigaretten zu sein, wollen sich verändern oder wünschen sich weißere Zähne oder eine schönere Haut, und nicht zuletzt wird auch der Kostenfaktor von Zigaretten in letzter Zeit immer öfter als Motivation für den Rauchstopp genannt.“
Lässige Zigaretten?
Die Experten wünschen sich mehr Präventivmaßnahmen und ein gesellschaftliches Umdenken. „Noch immer gilt die Zigarette vor allem für Jugendliche als besonders lässig“, beklagt etwa Lungenarzt Lachmann. „Dabei sterben in Österreich jährlich etwa 14.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Zigaretten sind hierzulande nach wie vor ein zu Unrecht geduldetes, hoch gefährliches Phänomen.“ Bei der NÖGKK bemüht man sich daher besonders um Prävention. So kann man sich etwa auch bei den regelmäßig stattfindenden Gesundheitstagen umfassend über das Thema informieren, Kohlenmonoxidbelastungs-Messungen und andere Untersuchungen durchführen lassen, und man erhält individuell abgestimmte Informationen, wie man es angehen soll, wenn man zu rauchen aufhören will.
Warum viele scheitern
Trotzdem ist und bleibt Fakt, dass viele sich zwar dafür interessieren und es auch versuchen, trotz bester Vorsätze aber – oft immer wieder – scheitern. Der Hauptgrund dafür liegt laut der Expertin Stulik darin, dass die meisten zu lange und mit falschen Vorstellungen warten, bis sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen. „Man hofft darauf, dass ein ‚Klick‘ passiert, dass sich der entscheidende Schalter im Kopf von selbst umlegt, aber das klappt in den wenigsten Fällen. Hört man aber tatsächlich auf, so kämpft man in vielen Fällen mit den – manchmal sogar sehr heftigen – Verlangensattacken in den ersten rauchfreien Tagen. Hier sollte man sich bewusst machen, dass diese Attacken maximal zehn Minuten lang andauern und sich dann wieder legen.“ Die Psychologin empfiehlt, die Gedanken in solchen Situationen ganz bewusst auf andere angenehme Erinnerungen zu richten oder sich mit einer Tätigkeit zu beschäftigen, die auch früher nicht mit dem Rauchen verbunden war. Und weiß: „Der Großteil der Zeit wird frei vom Rauchverlangen sein.“
Die beste Methode
Der beste Weg, um dem blauen Dunst für immer ade zu sagen, ist für die meisten Experten die Schlusspunkt-Methode, bei der einen die Fachleute des Rauchertelefons gerne unterstützen. Dabei wird ein Rauchstopptag festgelegt, auf den man sich möglichst gut vorbereiten sollte. Will heißen, dass man checkt, wie stark die Abhängigkeit ist (z. B. Fagerström-Test, siehe Kasten), ob man Nikotinersatzpräparate oder medikamentöse Unterstützung brauchen wird, wie man mit Stresssituationen anders umgehen kann, welche Alternativen man in „nikotinbesetzten“ Situationen hat, was man tut, wenn Raucher zu Besuch kommen etc. Für sehr stark abhängige Raucher gibt es auch die Möglichkeit einer stationären Entwöhnung, und das Rauchertelefon bietet in der ersten Zeit sehr intensive Begleitung und bei Bedarf individuelle Termine an – all das kostenlos. Dass solche psychologische Unterstützung beim Rauchstopp sehr wichtig ist, sieht auch Lungenfacharzt Lachmann so: „Je größer die Abhängigkeit, umso mehr Unterstützung braucht ein Entwöhnwilliger, und die psychologische Beratung, die wir im Landesklinikum Hochegg ebenfalls anbieten, ist für alle eine ganz große Hilfe, die die Erfolgsaussichten deutlich erhöht.“
Hat man es geschafft, so kann man sich übrigens schon nach 20 Minuten über positive gesundheitliche Folgen freuen. „Selbst wenn man schon tabakassoziierte Erkrankungen hat, kann man diese zwar nicht rückgängig machen, aber es macht immer Sinn, den Nikotinkonsum zu beenden, denn dadurch reduziert sich das Risiko einer weiteren Verschlechterung ganz deutlich“, sagt der Experte Lachmann. „Ist man noch nicht erkrankt und hört auf zu rauchen, nimmt das Risiko einer nikotinassoziierten Erkrankung mit der Anzahl der Jahre ab, die man nicht geraucht hat. Nach etwa sieben Jahren ist das Risiko wieder gleich niedrig wie bei einem Nichtraucher.“
Und mein Gewicht?
Haben Sie immer noch Zweifel daran, ob Sie aufhören sollen oder nicht? Ja, werden vielleicht manche von Ihnen sagen, die die Gewichtszunahme nach dem Rauchstopp fürchten. Tatsächlich ist das ein gewisses, allerdings meist kleines Problem, das auch die Fachleute sehen. „Dazu muss man sagen, dass es in der Tat schwer zu vermeiden ist, nach dem Beenden des Tabakkonsums etwas an Gewicht zuzulegen, weil das Nikotin, das sonst zugeführt wurde, den Stoffwechsel beschleunigt, und in den ersten Wochen nach dem Rauchstopp werden etwa 200 bis 300 Kalorien weniger verbrannt“, weiß Lungenarzt Lachmann. „Aber in der Regel handelt es sich dabei um etwa vier Kilo, die man zunimmt. Im Vergleich zu dem Schaden, den Nikotin anrichten kann, ist diese geringfügige Gewichtszunahme wohl vernachlässigbar.“ Psychologin Stulik vom Rauchertelefon hat übrigens sogar für dieses Problem einen hilfreichen Rat: „Machen Sie sich schon vor dem Rauchstopp klar, was in Ihrem Körper passieren wird. Achten Sie darauf, nicht mehr als sonst zu essen – greifen Sie für zwischendurch zu kalorienarmen Nahrungsmitteln, und versuchen Sie, die Kalorien, die Sie ohne Nikotin weniger verbrennen, auf anderen Wegen loszuwerden: Steigen Sie Treppen statt den Aufzug zu nehmen, fahren Sie mit dem Fahrrad, machen Sie Abendspaziergänge statt Fernsehabende und kurbeln Sie so Ihren Stoffwechsel an.“
Übrigens: Rauchen macht ohnedies definitiv nicht schlank. Eine große wissenschaftliche Untersuchung an 4.000 Personen, die über sieben Jahre lief, hat gezeigt, dass es keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Abnehmen gibt.
Rauchertelefon: rasch und nachhaltig
Unter der Nummer 0810 810 013 erreichen Sie von Montag bis Freitag von 10:00–18:00 Uhr das gesundheitspsychologische Team des Rauchertelefons.
In einem anonymen Erstgespräch können Sie sich über das Angebot informieren, Ihre Probleme mit der Tabakentwöhnung besprechen, Sorgen und Fragen über Ihre Gesundheit im Bezug auf Tabakkonsum abklären oder sich über ambulante Beratungsstellen in Ihrer Nähe erkundigen.
Das Rauchertelefon bietet Informationen zu fundierten Methoden der Entwöhnung, Nikotinabhängigkeit, pharmakologischen Therapien, Verhaltensweisen und psychologischer Abhängigkeit, emotionale Unterstützung sowie Strategien für den Rauchstopp.
Es besteht auch die Möglichkeit von weiterführenden telefonischen Beratungsgesprächen, mit denen Sie bei Ihrem Rauchstopp in regelmäßigen Abständen begleitet werden.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.rauchertelefon.at
Oder senden Sie Ihre Fragen an: inforauchertelefon.at
Rauchstopp und Lebensqualität
Die amerikanische Krebsgesellschaft hat die vielen Vorteile eines Rauchstopps für die Gesundheit deutlich gemacht. Bereits kurze Zeit nach der letzten Zigarette kommt es zu Veränderungen im Körper:
- Nach 20 Minuten: Der Blutdruck sinkt nahezu auf einen Wert wie vor der letzten Zigarette. Die Temperatur in Händen und Füßen steigt wieder auf normale Werte.
- Nach 8 Stunden: Der Kohlenmonoxid-Spiegel im Blut sinkt auf normale Werte.
- Nach 24 Stunden: Das Herzanfallrisiko verringert sich.
- Nach 2 Wochen bis 3 Monaten: Die Kreislaufsituation und die Lungenfunktion verbessern sich.
- Nach 1 bis 9 Monaten: Hustenanfälle, Verstopfung der Nasennebenhöhlen, Müdigkeit und Kurzatmigkeit gehen zurück. Die Flimmerhärchen der Atemwege gewinnen wieder ihre Reinigungsfähigkeit, so dass eine normale Lungenfunktion erreicht wird. Die Infektanfälligkeit wird vermindert.
- Nach 1 Jahr: Das erhöhte Risiko einer koronaren Herzkrankheit sinkt auf die Hälfte des Risikos von Rauchern.
- Nach 5 Jahren: Das Schlaganfallrisiko ist nur noch halb so groß wie bei Rauchern, die weiterrauchen.
- Nach 10 Jahren: Das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, verringert sich fast um die Hälfte. Das Risiko einer Krebserkrankung in der Mundhöhle, Luftröhre, Speiseröhre, Harnblase, in den Nieren und in der Bauchspeicheldrüse sinkt.
- Nach 15 Jahren: Das Risiko einer koronaren Herzkrankheit ist das von lebenslangen Nichtrauchern.
Quelle: Broschüre des Rauchertelefons