Wenn die Beine schwer werden
Schmerzen beim Gehen, Sitzen oder Liegen: Die periphere arterielle Verschlusskrankheit ist eine schleichende Gefahr. Ein gesunder Lebensstil ist die beste Möglichkeit, um vorzubeugen.
Es beginnt alles vermeintlich harmlos: Der zunächst leichte stechende Schmerz in den Beinen wird tapfer überspielt. „Ich mache eben öfter mal eine Pause beim Gehen“, beruhigen sich Betroffene selbst. Dann ist die Erkrankung meist schon fortgeschritten und Mediziner bezeichnen dies als eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Jede zehnte Österreicherin, jeder zehnte Österreicher ist davon betroffen, zunächst ohne es überhaupt zu wissen. Doch so harmlos wie die Erkrankung auf den ersten Blick scheint, ist sie bei weitem nicht. Kardiovaskuläre Erkrankungen, zu denen auch die periphere arterielle Verschlusskrankheit zählt, sind die häufigste Todesursache – denn das größte Risiko ist, infolge von PAVK einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Das stille Leiden
Die Krankheit liegt zwar schon lange vor, ehe sich erste Symptome zeigen, doch meist kommen Betroffene erst zum Arzt, wenn der Leidensdruck nicht mehr zu verleugnen ist. Erste spürbare Anzeichen sind Belastungsschmerzen bzw. Beschwerden beim Gehen. Da längere Gehstrecken ohne Schmerzen kaum zu bewältigen sind, „tarnen“ Betroffene das, indem sie öfter Gehpausen einlegen. Landläufig wird die Erkrankung daher auch als „Schaufensterkrankheit“ bezeichnet, da – wie bei einem Schaufensterbummel – immer wieder Zwischenstopps eingelegt werden müssen. Prim. Dr. Johannes Schuh, Ärztlicher Leiter der Gefäßmedizin im Gesundheitsresort Königsberg, weiß: „Vielfach wird die Erkrankung nicht sofort erkannt. Sie tritt meist erst in der zweiten Lebenshälfte auf sowie bei älteren Patienten, die weniger gehen oder mobil sind. Die Schmerzen beginnen in den Beinen – in den Waden, in den Oberschenkeln, seltener auch am Gesäß. Betroffene denken daher in erster Linie an ein orthopädisches Problem und werden lange auf diese Weise behandelt.“
Sauerstoffmangel
Ursache dieser Erkrankung ist mangelnde Sauerstoffzufuhr in Zellen und Muskeln, das kann im schlimmsten Fall zu einem Absterben des Gewebes führen. Jede unserer Körperzellen braucht Sauerstoff, um zu leben. Die Arterien übernehmen dabei eine wichtige Aufgabe: Sie transportieren sauerstoffreiches Blut zu Organen und Muskeln. Eine gute Durchblutung ist daher eine wesentliche Voraussetzung für die Sauerstoffversorgung der Zellen. Sind Arm- oder Beinarterien jedoch verengt, ist diese lebenswichtige Versorgung nicht mehr ausreichend möglich. Eine Arterienverengung kann viele Ursachen haben, wichtig für den behandelnden Arzt ist es daher, ein umfassendes Risikoprofil aus gefäßmedizinischer Sicht abzufragen. „Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, Bewegungsmangel oder ein erhöhter Cholesterinspiegel sind wesentliche Risikofaktoren. Auch Übergewicht, falsche Ernährung oder Stress können gefäßverengende Wirkungen haben“, warnt Schuh.
Neben einer ausführlichen Anamnese durch den Arzt gibt die Doppler-Druckmessung mit einem speziellen Ultraschallgerät Aufschluss über den Blutdruck in den Beinarterien. Dabei wird, ähnlich wie beim Blutdruckmessen am Oberarm, eine Manschette an den Beinen bzw. Füßen angelegt. Üblicherweise ist der Blutdruck in den Beinen etwas höher oder gleich wie im Oberarm. „Ein verringerter Blutdruck in den Beinarterien ist zwar ein Hinweis auf eine PAVK, um die Diagnose abzusichern, werden bildgebende Ultraschallverfahren ergänzend dazu durchgeführt“, erklärt Schuh.
Schleichender Verlauf
Nach dem französischen Chirurgen René Fontaine erfolgt die Klassifikation der Erkrankung in vier Stadien. Stadium I verläuft symptomlos, allerdings bestehen bereits Gefäßveränderungen in den Beinen. Da die Erkrankung aber langsam verläuft, hat der Körper Zeit, sogenannte Kollateralgefäße zu bilden, also einen „Umgehungskreislauf“ anzulegen. Selbst wenn beispielsweise eine Oberschenkelarterie bereits verengt ist, schafft es dieser Kreislauf, das zu kompensieren, sodass der Betroffene keine Schmerzen hat. In Stadium II zwingen die Schmerzen den Betroffenen zu häufigen Stopps während des Gehens, dabei treten Schmerzen am häufigsten in den Waden auf. Schmerzen im Ruhezustand charakterisieren das Stadium III der Erkrankung, in Stadium IV kommt es zu Geschwüren oder absterbendem Gewebe, durchwegs an den Zehen und Füßen.
Den Verlauf stoppen
„Eine fortgeschrittene PAVK ist nicht heilbar, in früheren Stadien kann das Fortschreiten jedoch gut verhindert werden, mit Lebensstiländerung in Kombination mit Medikamenten“, sagt der Experte. In erster Linie sollte daher das Rauchen abgestellt werden. Zur medikamentösen Behandlung werden unter anderem Gerinnungshemmer eingesetzt. Sie verhindern das Entstehen eines Gerinnsels, indem sie auf die Blutplättchen einwirken, ohne deren blutstillende Funktion zu beeinflussen. Weiters kann der Arzt durchblutungsfördernde Arzneien verordnen. Wichtig sind jedoch auch Medikamente, die anderen Risikofaktoren entgegenwirken, wie etwa Blutdruck- oder Cholesterinsenker, empfiehlt Schuh: „Unser Ziel ist es, die Lebensqualität des Betroffenen zu erhöhen, aber auch das Sterblichkeitsrisiko – etwa durch Schlaganfall oder Herzinfarkt – zu verringern.“ Untersuchungen haben gezeigt, dass eine ergänzende Gefäßtherapie mit Kohlendioxid bei Betroffenen in Stadium II gute Erfolge mit sich bringt. CO2 hat eine positive Wirkung auf den Gasaustausch im Blut und führt zu einer verbesserten Sauerstoff-Freisetzung im Gewebe. Durch Kohlensäurebäder oder Wassertreten im kohlensäurehältigen Wasser hat sich nach drei Wochen die Gehleistung Betroffener Männer um 58 Prozent, von Frauen um 37 Prozent verbessert. Außerdem konnte im Zuge der Therapie auch der LDL-Cholesterinspiegel gesenkt werden. In fortgeschrittenen Stadien können auch gefäßchirurgische Eingriffe erforderlich sein, wie etwa eine Gefäßdehnung oder das Anlegen eines Bypasses. Als Standardmethode gilt die Ballondilatation, bei der ein Katheter gesetzt und ein Ballon in der betroffenen Gefäßpassage aufgepumpt wird, um sie zu dehnen. Auch eine Umgehung der Gefäße durch einen Bypass oder die Stützung eines Gefäßes durch einen Stent sind mögliche Verfahren, die sich jedoch nach Lage und Schweregrad des Gefäßverschlusses richten. Neuere gefäßchirurgisch-radiologische Methoden, sie werden beispielsweise im Landesklinikum Amstetten durchgeführt (siehe Interview), bringen eine Reihe von Vorteilen für Betroffene mit sich, weil sie weniger belastend sind.
Die beste Möglichkeit, um eine periphere arterielle Verschlusskrankheit zu verhindern, liegt jedoch in der Vorsorge: Sie haben es also selber in der Hand.
Prim. Dr. Johannes Schuh, Ärztlicher Leiter der Gefäßmedizin im Gesundheitsresort Königsberg
9 Tipps für einen gesunden Lebensstil
- Verzichten Sie auf Rauchen.
- Ernähren Sie sich gesund: Gemüse und Obst fünf Mal am Tag, wenig tierische Fette
- Achten Sie auf Ihren Blutdruck: optimaler Blutdruckwert 120:80 mmHg, normal 130:90 mmHg, hochnormal 130–139:85–89 mmHg.
- Behalten Sie Ihren Cholesterinspiegel im Auge – gesunde Ernährung ist dabei eine wesentliche Voraussetzung.
- Menschen mit Diabetes sollten auf eine korrekte Einstellung des Blutzuckerspiegels achten.
- Bewegen Sie sich regelmäßig – dreimal pro Woche mildes Ausdauertraining schützt die Gefäße.
- Übergewicht ist ein Risikofaktor – auch für viele andere Erkrankungen, achten Sie daher auf Ihr Gewicht.
- Genießen Sie Alkohol mit Bedacht.
- Vermeiden Sie Stress und legen Sie regelmäßig Entspannungspausen ein.
Operative Hilfe
Während arterielle Verschlusskrankheiten im Anfangsstadium weitgehend mit Medikamenten behandelt werden können, kann in den Stadien II, III und IV eine Operation notwendig sein. Seit einigen Jahren werden vermehrt sogenannte Hybrid-Eingriffe durchgeführt, in denen Experten verschiedener Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Wie etwa im Landesklinikum Amstetten die Abteilung für Chirurgie (Leitung: Prim. Dr. Friedrich Schmöller) und das Institut für Radiologie und Interventionelle Radiologie
(Leitung: Prim. Dr. Peter Chocholka).
Wie kann man operativ helfen?
Prim. Dr. Peter Chocholka: Die bisher besten Ergebnisse für Patienten wurden neben der herkömmlichen Bypass-Chirurgie auch mit Hilfe von minimal-invasiven Verfahren wie der Ballondehnung erzielt. Dabei wird einerseits eine Gefäßoperation, andererseits eine Ballon-Aufdehnung eventuell mit zusätzlicher Stent-Implantation, kombiniert – wir nennen das Kombinationsmethode.
Wer profitiert davon?
Vor allem Patienten, die an einer fortgeschrittenen arteriellen Verschlusserkrankung leiden; also wenn der Betroffene bereits über Schmerzen nach kurzen Gehdistanzen oder im Ruhezustand klagt und darüber hinaus.
Welche Gefäßschäden eignen sich für die Kombinationsmethode?
Entweder Engstellen an den Abgängen großer Gefäße in Kombination mit nachfolgenden Engstellen oder Verschlüssen, oder peripher gelegene Engstellen und Verschlüsse.
Welche Vorteile hat die Methode gegenüber der bisher häufig angewendeten gefäßchirurgischen Operation?
Oft können wir eine Bypass-Operation vermeiden, weil wir mit Ballonen und Stents sehr gute Erfolge erzielen. Eine Ballon-Dehnung ohne chirurgischen Eingriff ist minimal-invasiv, Patientinnen und Patienten können das Klinikum oft schon am nächsten Tag verlassen.
Prim. Dr. Peter Chocholka, Leiter des Instituts für Radiologie und Interventionelle Radiologie am Landesklinikum Amstetten
Landesklinikum Amstetten
Krankenhausstraße 21 3300 Amstetten
Tel.: 07472/9004-0
www.amstetten.lknoe.at





