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Vom ersten Tag an

Gynäkologen sorgen dafür, dass Babys einen optimalen Start ins Leben haben und sind die Spezialisten für sämtliche Frauenleiden.


(v. l.) Prim. Priv.-Doz. Dr. Andreas Brunner, DKKS Maria Franke und Stationsleitung DGKS/DKKS Martina Plescher bei Ursula K. Gestern kam ihr Sohn Rafael zur Welt, heute verschläft er die Visite. FOTO: Philipp Monihart

Landesklinikum Mödling
Sr. M. Restituta-Gasse 12
2340 Mödling
Tel.: 02236/9004-0
www.moedling.lknoe.at

Daniela S. ist in der 26. Schwangerschaftswoche. Mitte Juli ist es so weit, sie bekommt ihr zweites Baby. Heute ist sie zur Ultraschall-Untersuchung im Landesklinikum Mödling. Prim. Priv.-Doz. Dr. Andreas Brunner bestreicht ihren Bauch mit einem kühlen Gel. „Die Plazenta ist gut durchblutet“, sagt er und fährt mit dem Ultraschallkopf vorsichtig über die Bauchdecke. Die werdende Mami liegt auf dem Rücken und verfolgt die Bewegungen ihres Kindes am Bildschirm mit: „Es hüpft schon sehr viel“, lacht sie, als ihr kleiner Sprössling ein ordentliches Lebenszeichen von sich gibt. „Alles in Ordnung“, sagt Gynäkologe Brunner. Sie vereinbaren den nächsten Kontrolltermin, dann kann Daniela beruhigt nach Hause gehen.
Im Jahr 2015 erblickten im Landesklinikum Mödling 1.841 Kinder das Licht der Welt, ein Zuwachs von elf Prozent zum Jahr davor. Mit der Zusammenlegung der Geburtshilfe Baden und Mödling vor fast zwei Jahren ist die Mödlinger Abteilung zur größten des Landes gewachsen. Geleitet wird sie von Primarius Brunner, selbst Vater von zwei Kindern: „In Mödling gibt es eine Kinderabteilung mit neonatologischer Versorgung. Das ist für werdende Eltern besonders attraktiv.“ Mit dem Neubau konzentrieren sich beide Standorte neben der Grundversorgung gezielt auf eigene Versorgungs-Schwerpunkte, die in Summe eine optimale Patientenversorgung gewährleisten. Die geburtshilflichen Kompetenzen sind nun zur Gänze in Mödling gebündelt. Damit wird hier ein modernes Eltern-Kind-Zentrum etabliert.

Herausfordernd

Bei Martina K. ist es bald so weit, die diensthabende Hebamme untersucht die junge Frau, die kurz vor der Entbindung steht. Mittels CTG (Cardiotokographie/Wehenschreiber) misst sie die kindlichen Herztöne und die Wehentätigkeit. Der werdende Vater steht neben ihr, wirkt nervös – kein Wunder, die Geburt ist auch für ihn ein einschneidendes Erlebnis. Üblicherweise melden sich Schwangere ab der 32. Schwangerschaftswoche im Landesklinikum an. „Zu den Untersuchungen können auch die Väter mitkommen“, sagt Stationsleitung Martina Plescher, Gesundheits- und Kinderkrankenschwester. Sie leitet das 49-köpfige Team aus Hebammen, diplomierten Gesundheits- und Krankenschwestern (DGKS) sowie diplomierten Kinderkrankenschwestern (DKKS), Pflege- und Abteilungshelferinnen, organisiert die Abläufe auf der geburtshilflichen Station und im Kreißsaal. Etwa vier Geburten pro Tag zählen zum Alltag, es können aber viel mehr sein: Erst kürzlich meisterte das Team 14 Geburten in 24 Stunden, „das sind unsere Spitzentage“, lächelt Plescher. Doch hier hat man auch schwierige Situationen fest im Griff.
Das Team bereitet sich laufend auf nicht alltägliche Fälle und Notfallszenarien vor, wie etwa einen Kaiserschnitt-Alarm, auch gemeinsam mit anderen Abteilungen, wie der Anästhesie oder der Kinder- und Jugendheilkunde. Mit diesen beiden Abteilungen gibt es eine enge Zusammenarbeit, angefangen bei einer Geburt mit Epiduralanästhesie („Kreuzstich“) über Not-Kaiserschnitte bis hin zur neonatologischen Versorgung. „Die Arbeits­bereiche greifen ineinander, daher ist gutes Teamwork hier ein Muss“, erklärt Brunner, „sonst könnten wir unsere Arbeit im Eltern-Kind-Zentrum nicht so gut machen.“ Er freut sich, dass man auch räumlich näher zusammenrückt: In Pavillon B, derzeit noch in Bau, wird neben der Geburtshilfe auch die Kinder- und Jugendheilkunde unter­gebracht sein. Ende 2017 ist es so weit. Dann ist man nicht nur die größte, sondern zählt auch zu den modernsten geburtshilflichen Abteilungen
Niederösterreichs.

Frauenheilkunde

Neben Schwangerschaft und Geburt befassen sich Frauenärzte mit dem kompletten Spektrum der Gynäkologie oder Frauenheilkunde, also mit allen Erkrankungen, die spezifisch bei Frauen auftreten können. Darüber hinaus ist der Gynäkologe immer dann gefragt, wenn es um Geburtenkontrolle und Familienplanung geht. Die Patientinnen kommen aus allen Altersgruppen, am häufigsten jedoch sind es Frauen zwischen der Pubertät und den Wechseljahren. Das gynäkologische Tagesgeschäft sind Blutungsstörungen, Regelprobleme, spezielle Vorsorge-Untersuchungen sowie die Abklärung von Auffälligkeiten und die Behandlung von Zysten und Gewächsen, die einen immer größeren Stellenwert einnimmt. „Besonders der operative Bereich hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, erklärt Brunner. Als Grund dafür nennt er die häufigeren Routine-Untersuchungen und besseren Untersuchungsmethoden, mit denen man immer mehr Probleme immer früher feststellen kann. Gleichzeitig werden die Operationstechniken ständig weiterentwickelt und so können heute viele Erkrankungen schonend behandelt werden.
Wie etwa bei Herta D: Die Fünfzigjährige hatte starke Bauchschmerzen wegen gutartiger Tumore, daher muss ihre Gebärmutter entfernt werden, im Fachjargon Hysterektomie genannt. Der Eingriff wird vaginal (über die Scheide) oder mittels Laparoskopie (Bauchspiegelung) vorgenommen, also ohne Bauchschnitt. „Diese Operationsmethode ist körperlich weniger belastend. Meist sind die Patientinnen bereits am nächsten Tag mobil und bleiben nur wenige Tage im Spital“, sagt Brunner.

Schmerzarme Geburt

Viel hat sich geändert in den letzten Jahren, wie in jedem Bereich der Medizin. Auch die Schulmeinung darüber, wie Kinder idealerweise auf die Welt kommen sollen. In den 1980er-Jahren wurden etwa viele Geburten am Termin eingeleitet, auch wenn dafür keine medizinische Notwendigkeit bestand. Die Gegenbewegung forderte ein Zurück zur Natur und versuchte, Eingriffe in den Geburtsvorgang so lange wie nur irgendwie möglich zu vermeiden. Heute hat sich die Geburtshilfe auf ein gesundes Mittelmaß eingependelt, weiß Brunner. Deutlich gestiegen ist jedoch die Kaiserschnitt-Rate: „Becken-Endlagen (mit dem Kopf nach oben) etwa kommen bei jedem zwanzigsten Kind vor. Damit ist ein höheres Risiko verbunden, weil der Geburtskanal durch das zuerst austretende Becken meist nicht genug geweitet ist, dass der Kopf problemlos passieren kann.“ Kinder in Becken-Endlagen würden heute meist per Kaiserschnitt geholt. Der erfahrene Gynäkologe rät aber von einer Wunsch-Sectio ab, also einem Kaiserschnitt ohne medizinische Ursache: „Es ist eine Operation mit dem dazugehörigen Risiko. Und dieses ist bei einer natürlichen Geburt meist kleiner.“ Viele Frauen haben Angst vor der Ent­bindung, weiß Brunner. Infoabende und Gespräche sollen diese Angst nehmen. „Wir fördern die schmerzarme Geburt“, unterstreicht er. Das heißt, dass Schmerzmittel oder Epiduralanästhesie verabreicht werden, wenn die Schmerzen stark ansteigen.
Eine werdende Mutter wird gerade in den Kreißsaal gebracht. Die diensthabende  Hebamme hilft ihr, sich zu entspannen, den Körper zu entlasten. Die junge Frau wirkt trotz des bevorstehenden Ereignisses gelassen. „Wir möchten den Frauen helfen herauszufinden, was für sie im Zuge der Geburt gut ist“, sagt Primarius Brunner. So können sie entscheiden, ob sie in der Badewanne entspannen möchten oder ob sie sich am großen Ball wohler fühlen. Mancher Frau tut Aromatherapie gut, dann wird der Kreißsaal zu einem duftenden Raum. Jede kann individuell entscheiden. Der Kreißsaal ist wohltuend beruhigend, ohne glänzende Apparaturen, ohne grelles Licht. Der kleine Rafael kam gestern zur Welt. Er und seine Mama Ursula K. sind wohlauf, alles ist gut gegangen. Rafael fühlt sich pudelwohl, hat sich an sein neues Ambiente schon gewöhnt, gluckst selig in Mamas Armen und verschläft die ganze Visite. Es ist das erste Kind der 35-Jährigen. Das sei mittlerweile die Norm, sagt Brunner: „Viele Frauen bekommen heute ihr erstes Kind in ihren Dreißigern. Das hat sich nach hinten verschoben.“

Flexibilität & Geduld

War die Gynäkologie traditionell eine starke Männerdomäne, so ist das Geschlechterverhältnis mittlerweile fast ausgewogen – in Mödling arbeiten acht Gynäkologinnen und 13 Gynäkologen. Gynäkologie und Geburtshilfe ist ein medizinisches Fach, das sich zu einem großen Teil in der Intimsphäre der Patientinnen abspielt. „Das verlangt viel Einfühlungsvermögen“, weiß Brunner, „zudem braucht man viel Erfahrung, medizinisch genauso wie zwischenmenschlich. Und Flexibilität und Geduld“, schmunzelt Brunner, denn die Geburtshilfe ist im Gegensatz zum gynäkologischen Bereich nicht planbar: „Wenn es losgeht, geht es los. Man muss einen kühlen Kopf bewahren und schauen, dass jeder Handgriff sitzt.“ Brunner schätzt an seinem Beruf, dass er ein weites Feld bietet. Er umfasst eben die ganze Palette des Lebens: „Manchmal muss ich von der Geburtenstation zu einer Krebs-Patientin. Glück und Leid liegen in unserem Beruf nah beieinander.“

Ausbildung zur Frauenärztin/zum Frauenarzt

Wer Fachärztin oder Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe werden will, muss eine lange und profunde medizinische Ausbildung absolvieren. Seit dem Vorjahr ist die Novelle des Ärztegesetzes in Kraft: Nach dem Medizinstudium müssen Ärztinnen und Ärzte eine neunmonatige Basisausbildung im Krankenhaus absolvieren, um das praktische Rüstzeug für die Ausübung des Berufs zu erlernen. Im Anschluss geht es in die Sonderfach-Grundausbildung, die 36 Monate dauert. Auf die Grundausbildung folgt die Sonderfach-Schwerpunktausbildung mit 27 Monaten. In Summe dauert die Facharztausbildung mindestens 72 Monate.