Komfortabel vernetzt
In den niederösterreichischen Kliniken startet Mitte Jänner die Nutzung der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA – mit vielen Vorteilen für Patientinnen und Patienten.
Ein Unfall, ein Patient wird ins Klinikum gebracht. Der behandelnde Arzt sieht am Bildschirm sofort, dass der Verletzte erst kürzlich eine Blinddarm-OP hatte. Er wirft einen Blick in die Labordaten – die Blutwerte waren heikel, er muss also bei den Medikamenten darauf Rücksicht nehmen. Er sieht, dass der verletzte Arm vor drei Jahren in einem anderen Klinikum
operiert und eingegipst werden musste, und erkennt auf den damaligen Röntgenbildern, wo er gebrochen war, wo die Ärzte die Schrauben gesetzt haben und wie der Arm geheilt ist. Jetzt kann er punktgenau und umsichtig helfen.
Entwicklung aus Niederösterreich
In den NÖ Kliniken ist das schon lange Realität: Seit Jahren arbeiten sie an der Speicherung verschiedener Befunde in einem internen Netzwerk, dem elektronischen NÖ Befund-Informationssystem NÖBIS. Vorreiter in dieser für die behandelnden Mediziner wie für die Patienten wichtigen Entwicklung war das Landesklinikum Wiener Neustadt. Zusammen mit der Zentrale der NÖ Landeskliniken-Holding entstand dort der Kern dessen, was mittlerweile im ganzen Land bestens funktioniert: Erst gab es die Befund-Plattform nur für das Landesklinikum, dann für die Thermenregion und seit einigen Jahren für alle NÖ Kliniken.
Internes Netzwerk
Heute sind in NÖBIS 31 Millionen Befunde von 1,8 Millionen Patientinnen und Patienten gespeichert. Etwa 25.000 Mal pro Monat greifen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf diese Befunde zu. Musste früher ein Patient, der in einem Klinikum aufgenommen und in einem anderen weiterbehandelt wurde, die großen Umschläge mit Röntgenbildern mitschleppen, sind diese Unterlagen heute jederzeit am Bildschirm aufrufbar. Und es fallen auch viele Wartezeiten weg. Denn wenn ein Arzt Patientenbefunde von einer früheren Behandlung in einem anderen Klinikum gebraucht hat, musste er sie anfordern, sie wurden dort ausgehoben und ins andere Klinikum transportiert. Heute ist das ein Mausklick.
Vorreiter für ELGA
Was so einfach und logisch klingt, war lange nur Zukunftsmusik. Seit vielen Jahren geistert das Thema elektronische Gesundheitsdaten-Sammlung durch die Medien. Krankenhäuser und Pflegeheime in Wien und der Steiermark sowie die Unfallkrankenhäuser und zum Beispiel das Rehazentrum Weißer Hof der AUVA sind mittlerweile an die Elektronische Gesundheitsakte ELGA angeschlossen. Und Mitte Jänner werden auch die NÖ Landes- und Universitätskliniken mit der Befundplattform ELGA verbunden. Das bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte in unseren Kliniken auch jene Befunde sehen können, die in Krankenhäusern in Wien oder der Steiermark erstellt worden sind – und umgekehrt.
Keine Doppelgleisigkeiten
Der Nutzen für Patientinnen und Patienten ist somit klar: Radiologische Befunde aus Horn müssen im Wiener AKH nicht nochmals erstellt werden, der Laborbefund aus dem Wilhelminenspital liegt auch der Ärztin im Universitätsklinikum St. Pölten vor, wenn sie Daten daraus braucht. Und Patientinnen und Patienten müssen sich nicht darum kümmern, ihre Radiologie- und Laborbefunde zu verwalten und von einem Klinikum ins andere mitzubringen.
Was ändert sich?
In den NÖ Kliniken laufen die Vorbereitungen für ELGA seit vielen Jahren. Nun sind die technischen Notwendigkeiten erledigt, derzeit stehen die letzten der hunderten Funktions- und Sicherheitstests an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eingeschult, alle Vorbereitungen für die Arbeit am Computer erledigt, alle Dokumente schon lange auf die Notwendigkeiten von ELGA umgestellt.
Patientinnen und Patienten müssen nichts zusätzlich tun. Schon seit Jahresbeginn brauchen sie zur E-Card einen Ausweis, das ist alles. In Wien und der Steiermark zeigt sich, dass Patientinnen und Patienten kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Zugriff auf Befunde in ELGA nicht zu erlauben: Nur 0,5 bis 0,7 Prozent der Patienten nutzen die Option des „Situativen Opt Out“, um zu verhindern, dass Befunde in ELGA aufscheinen. Damit zeigt sich, was auch eine Umfrage 2014 bestätigt: Die Patienten wollen ELGA – weil die Vorteile überwiegen.
ELGA – Fragen & Antworten
Was ist ELGA?
Die Elektronische Gesundheitsakte ELGA vernetzt Befunde von Patientinnen und Patienten, die verteilt im Gesundheitswesen entstehen. ELGA ist somit ein Informationssystem: Es ermöglicht berechtigten Gesundheitsdienste-
Anbietern wie niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Apotheken, Spitälern und Pflegeeinrichtungen, den orts- und zeitunabhängigen Zugang zu ELGA-
Gesundheitsdaten.
Was ist das Ziel von ELGA?
Patientinnen und Patienten können mit ELGA erstmals ihre eigenen Gesundheitsdaten einsehen und verwalten – egal, wann und wo sie gerade sind. Zudem erhält die behandelnde Ärztin, der behandelnde Arzt rasch und unkompliziert Vorbefunde und Entlassungsberichte als unterstützende Entscheidungsgrundlage für die weitere Diagnostik und Therapie. Somit kann ELGA in der medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Behandlung und Betreuung durch einen besseren Informationsfluss unterstützen – vor allem dann, wenn mehrere Gesundheitseinrichtungen oder Berufsgruppen entlang einer Behandlungskette zusammenarbeiten.
Wer sind die ELGA-Gesundheitsdienste-Anbieter?
- Krankenanstalten
- Einrichtungen der (mobilen und stationären) Pflege
- Ärztinnen und Ärzte (ausgenommen, wenn sie im Dienst der Sozialversicherung oder anderen Versicherungen stehen, wenn sie behördliche Aufgaben haben wie Amtsärzte oder bei der Musterung für den Wehrdienst, Arbeitsmediziner, Schulärzte)
- Zahnärztinnen und Zahnärzte (ausgenommen Dentisten, Zahnärzte im Dienst der Sozialversicherung oder anderer Versicherungen, Amtszahnärzte)
- Apotheken
Wer darf nicht auf ELGA-Gesundheitsdaten zugreifen?
- Chefärztinnen und -ärzte der staatlichen Sozialversicherungen
- Ärztinnen und Ärzte, die für private Versicherungen Untersuchungen durchführen
- Behörden sowie Amtsärztinnen und Amtsärzte
- Schulärztinnen und Schulärzte
- Betriebsärztinnen und Betriebsärzte
- Stellungsärztinnen und -ärzte des Bundesheeres
- Ärztinnen und Ärzte, die durch den Patienten vom Zugriff ausgeschlossen wurdenIm ELGA-Gesetz ist klar geregelt, wer auf ELGA-Gesundheitsdaten zugreifen darf: Es sind dies neben der Patientin bzw. dem Patienten selbst ausschließlich nur jene Ärztinnen und Ärzte oder ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter, die tatsächlich gerade die betreffende Patientin bzw. den betreffenden Patienten behandeln oder betreuen.
Welche Gesundheitsdaten werden wann über ELGA zur Verfügung gestellt?
Die ersten über ELGA verfügbar gemachten Daten sind:
- ärztliche und pflegerische Entlassungsbriefe der öffentlichen Krankenhäuser
- Laborbefunde
- Radiologiebefunde
- Medikationsdaten
Weiters sind geplant:
- Patientenverfügungen
- Vorsorgevollmachten
- gesetzliche medizinische Register
Sobald Krankenanstalten mit ELGA arbeiten, sind sie verpflichtet, Entlassungsbriefe aus stationären Aufenthalten, Laborbefunde im Rahmen ambulanter Aufenthalte sowie Befunde der
bildgebenden Diagnostik (Radiologiebefunde) im Rahmen ambulanter Aufenthalte über ELGA bereitzustellen.
Sobald niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte (Vertragsärztinnen und Vertragsärzte) der Sonderfächer „medizinisch-chemische Labordiagnostik“ sowie „Hygiene und Mikrobiologie“ mit ELGA arbeiten, sind sie verpflichtet, Laborbefunde als ELGA-Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen.
Niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte des Sonderfaches „Radiologie“ sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, Befunde der bildgebenden Diagnostik und gegebenenfalls „Bilder“ (Ergebnisse bildgebender Verfahren) als ELGA-Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen.
Für die niedergelassenen Allgemeinmediziner (praktische Ärzte) besteht Speicherpflicht für die Medikationsdaten, das heißt, sie sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, die verordneten Medikamente in die E-Medikationsdatenbank einzutragen.
Apotheken sind ebenso ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, die Abgabe von Medikamenten einzutragen. Dies gilt für verschreibungspflichtige (rezeptpflichtige) sowie für wechselwirkungsrelevante nicht verschreibungspflichtige Medikamente.
ELGA-Sonderausgabe
Im Jänner 2017 startet ELGA in den NÖ Kliniken. GESUND&LEBEN informiert Sie: Kurz vor Weihnachten finden Sie eine Sonderausgabe zu allen Fragen und Fakten rund um ELGA in Ihrem Postkasten.
Der Nutzen überwiegt
Der NÖ Patienten- und Pflegeanwalt Dr. Gerald Bachinger sieht für Patientinnen und Patienten vor allem Vorteile durch ELGA.
Sie haben sich von Anfang an immer für ELGA stark gemacht – warum?
Bachinger: Für mich steht immer die Frage nach dem Nutzen für die Patienten im Mittelpunkt. Natürlich nehme ich ihre Befürchtungen und Ängste bezüglich Datenschutz ernst – und erwarte das auch von allen anderen Beteiligten. Die Patienten wollen eine optimale Behandlung, und dafür ist es gut, wenn die Ärzte wissen, was schon geschehen ist, weil sie in frühere Befunde oder Arztbriefe schauen können. Das spart Mehrfachbefunde und damit belastende Untersuchungen.
Wie ist das mit dem Datenschutz?
Die Patienten wollen, dass niemand Unbefugter Zugriff auf ihre Daten hat, das ist mit ELGA garantiert. ELGA bedeutet sogar mehr Datensicherheit: Man kann genau nachverfolgen, wer welche Daten in die Gesundheitsakte gegeben und wer welche Daten angesehen hat. Das kann sich auch jeder Patient selbst anschauen. Und jeder kann auch entscheiden, welche Daten in seiner ELGA sein sollen und welche nicht. Ebenso, welcher Arzt diese Daten sehen und damit nutzen darf und welcher nicht. Das ist in Summe viel mehr Sicherheit als bisher.
Welche Vorteile sehen Sie noch?
Die durch ELGA bessere und einheitlichere Dokumentation nützt den Patienten, beispielsweise wenn es sich um einen Fall handelt, der schlussendlich bei mir landet. Man kann sich das mancherorts heute nicht mehr vorstellen, aber es ist noch gar nicht so lange her, dass mir handschriftliche Vermerke in papierenen Ordnern vorgelegt wurden, die kaum zu entziffern waren. Das gibt es in den NÖ Kliniken sowieso nicht mehr und nun generell bei den Arztbriefen durch die Elektronische Gesundheitsakte natürlich auch nicht mehr. Bei vielen Überprüfungen sehen Patientenanwälte, dass ein optimaler Behandlungsverlauf deshalb nicht erreicht werden konnte, weil relevante Gesundheitsdaten nicht schnell genug am Betreuungsort vorliegen. Informationsmängel und Kommunikationsmängel sind die häufigsten Auslöser von medizinischen Behandlungsfehlern.
Ihr Fazit?
Was die Sicherheit von ELGA und damit von Patientendaten angeht, wiegen die Vorteile im Hinblick auf Qualität und Patientenservice eindeutig mehr als die Risiken. Und Patienten müssen nun auch nicht mehr Briefträger für Befunde spielen. Ein besonderer Vorteil von ELGA: Die Bürger bekommen über das Portal erstmals direkten Zugang zu den über sie gespeicherten Gesundheitsdaten und Auskunft darüber, wer wann auf welche Gesundheitsdaten zugegriffen hat. Sie können die Zugriffserlaubnis auf ihre Daten erweitern und einschränken. Das ist ein echter Fortschritt.