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„Ich gewinne gern“

Ingrid Korosec ist Bundesvorsitzende des ÖVP-Seniorenbundes – und mit Mitte 70 rund um die Uhr politisch aktiv. Das Wichtigste im Leben? Sich selbst akzeptieren.


Foto: Daniel Schreiner

Ingrid Korosec hat einen randvollen Termin­kalender und managt ehrenamtlich drei Politik-Berufe – und das außerordentlich energiegeladen. Seit Jänner ist die Mittsiebzigerin Bundesvorsitzende der ÖVP-Senioren, und in Wien Seniorenbund-Landesvorsitzende, Abgeordnete und Gemeinderätin. Bereits um 7 Uhr Früh hat sie die Zeitungen gelesen und gibt ihrem Team die Anweisungen für den Tag. Urlaub? Heuer war sie endlich einmal zwei Wochen bei ihrer Enkelin in Amerika, ihr erster Urlaub nach vielen Jahren; sonst geht sich das eigentlich nie aus.

Kampferprobt

Mit 43 kam die gebürtige Böheimkirchnerin in den Wiener Landtag und wechselte dann in den Nationalrat. In der dritten Amtszeit von SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky und der damals noch großen rot-schwarzen Koalition unter dem Vizekanzler Josef Riegler. Bei Vizekanzler Erhard Busek war sie Generalsekretärin der ÖVP. Oft musste die damals 50-Jährige im politischen Tagesgeschäft „die Böse“ sein. Wie lebt man damit? Als Frau in der Politik müsse man sehr konsequent und mutig sein. „Ich habe immer gesagt, ich möchte, wenn nötig, gefürchtet werden, lieber geschätzt – aber im politischen Umfeld nicht geliebt.“
Ihr liebster Job war aber der darauf folgende, in dem sie auch richtig bekannt wurde: Sechs Jahre lang, von 1996 bis 2001, war sie Volksanwältin. Damals lag die Volksanwaltschaft noch im Dornröschen-Schlaf, „ich habe sie geöffnet, heute ist sie eine Institution“, mit regelmäßigen TV-Sendungen und großer Reichweite.

Sport-Fan

Korosec ist heute ständig in ganz Österreich unterwegs, da eine Senioren-Wallfahrt, dort eine wichtige Sitzung. Hier Gespräche mit Mitgliedern, dort Bälle oder Eröffnungen als Abgeordnete. Wie schafft man diesen Alltag? Wie bleibt man so lange so agil und leistungsfähig? Ingrid Korosec hat eine sehr strikte Vorstellung davon, was ihr Körper braucht: Schon als Kind war es ihr leid, so viele Stunden zu schlafen, sie las deshalb mit der Taschenlampe unter der Bettdecke. Heute schläft sie nur von 0:30 bis 4:50 Uhr. Ab 6 Uhr trainiert sie im Fitness-Studio, startet mit Krafttraining. Am Fahrradergometer liest sie dann die Zeitungen. Dieses Programm spult sie sieben Tage die Woche ab, ohne Pause. „Manchmal frag ich mich schon, wenn der Wecker klingelt, ob das nicht verrückt ist, aber dann denke ich daran, wie gut ich mich danach fühle.“ Einmal pro Woche leistet sie sich eine Trainerstunde, um motiviert zu bleiben und neue Ziele zu bekommen. Außerdem spielt sie an so manchem Wochenende in ihrem Niederösterreich-Wohnsitz in Neulengbach Tennis oder geht laufen. „Ohne Sport hätte ich nicht die Kraft für meinen Alltag“, ist Ingrid Korosec überzeugt.

Frauen-Themen

Worauf ist die zweifache Mutter stolz nach all den Jahren des politischen Engagements? Mitgestalten und Impulse zu geben ist ihr wichtig. So war sie im Nationalrat beteiligt an der Einführung des geteilten Karenzurlaubs, an der Namensrechts-Reform und an vielen anderen frauenspezifischen Themen. Vor allem will sie, dass Frauen mehr Spielraum bekommen. So hat sie sich zum Beispiel für qualifizierte Teilzeit und für flexible Arbeitszeiten stark gemacht, auch schon vor ihrer Polit-Karriere. Auch für das Modell der Gleitzeit habe sie sehr gekämpft. Oder um bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Dass sie in ihrer Partei als Rabenmutter galt, war ihr egal: „Ich muss da sein, wenn mein Kind mich braucht. Das heißt nicht, dass ich ihm eigenhändig die Windeln wechseln muss.“

Senioren-Anliegen

Die Unterlagen des Seniorenbundes sprechen Menschen ab 50 an – ist das nicht ein bisschen früh? Korosec plädiert dafür, dass man die späteren Jahre plant, um sie gut leben zu können: „In die Pension stolpern viele Menschen hinein, ohne sich darauf vorbereitet zu haben. Es ist wichtig, wenn man noch im Arbeitsleben steht, zu überlegen, wie man in diesem wichtigen Lebensabschnitt leben will.“ Sie habe es oft und oft erlebt, dass Menschen sagen, sie freuen sich auf den Ruhestand und dann in ein Loch fallen. Vielen falle es schwer zu akzeptieren, dass sie nicht mehr gebraucht werden und mit dem Ende des Arbeitslebens auch viele Sozialkontakte wegfallen.

Mit den Leuten reden

Was motiviert sie, sich immer noch jeden Tag in den Dienst der Menschen zu stellen? „Ich brauche den Kontakt zu den Menschen. Ich liebe sie, ich möchte etwas für sie bewegen, das macht mir Spaß.“ Sie ist eine Politikerin zum Angreifen, in Wien kann man sie oft in der Straßenbahn treffen oder sie ist zu Fuß unterwegs – und wird dabei oft angesprochen. „Ich mag das, ich rede gern mit den Leuten“, erzählt sie. Immer wieder höre sie auch, dass sie andere Menschen motiviert habe, zum Beispiel Sport zu machen, und das freut sie.

Bilanz ziehen

Was ist ihr wichtig im Leben? Was zählt? „Je älter man wird, umso mehr steht man über den Dingen“, sagt Ingrid Korosec. Fein sei, dass einen nichts mehr überraschen kann, auch nicht Sachen, bei denen man als jüngerer Mensch oft irritiert war oder gar eine Nacht nicht schlafen konnte. Das Wichtigste sei, sich selbst zu akzeptieren und auch so zu handeln. „Daraus gewinne ich Kraft – etwa, in dem ich mich kleide, wie es mir gefällt. Und kann so auch kämpfen und meinen Standpunkt zu vertreten. Ich hoffe, dass viele Menschen so leben.“
Jeden Abend zieht sie Bilanz: Was war heute gut? Was hat jemandem geholfen? Und was kann ich morgen besser machen? „Ich bin Skorpion, ich kämpfe gern. Und ich gewinne gern.“ Es geht ihr auch heute noch darum, dass Frauen mehr Spielraum bekommen. Da will sie auch sehr gern Vorbild sein. „Ich glaube schon, dass ich dazu beigetragen habe, dass Frauen heute selbstbewusster sind. Natürlich müssen sie eine gute Ausbildung haben und etwas leisten. Aber sie dürfen gern öfter sagen: ‚Ich kann das‘. Das tun sie immer noch seltener als Männer.“ Es gibt also noch genug zu tun.

Steckbrief Ingrid Korosec 

Geboren 1940 in Böheimkirchen, zwei Söhne und drei Enkelkinder

Persönlicher Werdegang:
Handelsakademie, einige Semester Studium der Volkswirtschaft

Beruflicher Werdegang:
40 Jahre in Management-positionen in der Privatwirtschaft

Politischer Werdegang:

  • 1983–1986 Landtags-abgeordnete und Gemeinderätin in Wien
  • 1986–1995 Abgeordnete zum Nationalrat
  • 1991–1995 Generalsekretärin der Österreichischen Volkspartei
  • 1995–2001 Volksanwältin
  • seit 2001 Landtagsabgeordnete und Gemeinderätin in Wien
  • seit 2006 Vorsitzende des Wiener Seniorenbundes
  • seit 2009 1. Obmann-Stellvertreterin Österreichischer Seniorenbund
  • Präsidentin der Kinderschutz-Organisation „Die Möwe“