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Herausforderung alleinerziehend

Knappe Finanzen, magere Freizeit, Probleme mit dem ehemaligen Partner und die Verantwortung für die Kinder rund um die Uhr belasten viele Alleinerziehende. Unterstützung bieten ein gutes soziales Netzwerk und Beratungsstellen.


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Eva-Maria Nadler, Leiterin der Kontaktstelle für Alleinerziehende der Erzdiözese Wien

Wie viele Süßigkeiten die fünfjährige Tochter jeden Tag essen darf, welche Schule für den Zehnjährigen am besten passt, wie lange der 14-jährige Sohn abends wegbleiben kann: Eltern treffen diese Entscheidungen im Idealfall gemeinsam. Für alleinerziehende Mütter und Väter in sogenannten Ein-Eltern-Familien sieht das häufig anders aus, denn sie sind oft alleine für die alltäglichen und die einmaligen, besonders wichtigen Erziehungsfragen zuständig.
Rund um die Uhr alleine mit der Verantwortung sein – das sieht die Diplomierte Sozial­arbeiterin Eva-Maria Nadler, Leiterin der Kontaktstelle für Alleinerziehende der Erzdiözese Wien, als größte Belastung für viele Alleinerziehende: „Es fehlen der Ansprechpartner, der Austausch und die unterschiedlichen Sichtweisen, die man in einer Partnerschaft hat.“ Nadler weiß, dass die Situation alleinerziehender Eltern und damit auch die Beziehung mit dem ehemaligen Partner sehr individuell seien: Manche Eltern kommen nach einer Trennung sehr gut miteinander aus, bei anderen sei das Verhältnis katastrophal, oder – wenn der Ex-Partner nicht greifbar oder verstorben ist – nicht existent.

Trennung löst nicht alle Probleme

Als „am Anfang sehr problematisch“ beschreibt Monika S. die Beziehung zu ihrem geschiedenen Mann. Nach der Scheidung vor dreizehn Jahren habe sich der Vater ihrer beiden kleinen Kinder nicht an Abmachungen gehalten und ihr damit das Leben schwer gemacht: „Es gab viele Situationen, in denen ich das Jugendamt einschalten wollte. Ich hab’s aber nie gemacht und bin im Nachhinein sehr froh darüber“, erzählt sie. Für die alleinerziehende Mutter war schnell klar: Sie will mit ihrem Exmann zum Wohl der Kinder ein gutes Auskommen finden. „Frauen, die in Scheidung leben, müssen sich an den Gedanken gewöhnen, dass alle Beteiligten im selben Boot sitzen. Das ändert sich ja nicht durch die Scheidung“, findet sie. Eine Trennung löse viele Probleme nicht, neue Konfliktfelder würden entstehen. „Man muss sich bewusst sein, dass man mit dem Ex-Partner in gewisser Weise alt werden muss, sonst geht das nicht.“ Für S. erwies sich diese Einstellung als gewinnbringend und das Verhältnis zum Vater der Kinder wurde mit der Zeit besser. „Es ist jetzt freundschaftlich und wir ziehen mehr und mehr am gleichen Strang.“

Kinder tragen Narben davon

Monika S. hat erlebt, wie schwierig Trennung und elterliche Querelen für die gemeinsamen Kinder sein können. Bei entwicklungsbedingten Umbrüchen sei die psychische Belastung der Kinder besonders zu Tage getreten und habe zu Perfektionswahn, Magersucht und Depression geführt. „Ich war sehr hilflos“, sagt Monika S. und erzählt, wie wichtig es damals gewesen sei, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen und vor allem innerhalb der Familie offen über alles zu reden. „Das Um und Auf ist das Vertrauensverhältnis. Meine Kinder haben mir immer berichtet, wenn sie Blödsinn gemacht haben und wussten, dass keine Strafe droht. Wir haben immer gemeinsam versucht, da wieder rauszukommen.“ Dennoch weiß S.: „Die Kinder haben sicher ihre Narben davongetragen.“

Kontakt zum Elternteil

Kinder leiden unter der Trennung ihrer Eltern. „Jedes Kind wünscht sich eine funktionierende Vater-Mutter-Kind-Familie“, sagt Nadler von der Kontaktstelle für Alleinerziehende, „eine Trennung oder auch der Tod eines Elternteils bedeutet für sie immer einen massiven Einschnitt.“ Ausschlaggebend sei, wie die Erwachsenen mit der Situation umgehen. Oft seien diese mit den eigenen Trennungsproblemen beschäftigt und hätten weder Zeit noch Energie, sich intensiv mit den Sorgen der Kinder auseinanderzusetzen. Nadler empfiehlt Eltern daher, jemanden aus der Familie, dem Freundeskreis oder einer Beratungseinrichtung zu suchen, der den Kindern durch diese schwierige Phase hilft.
Ganz wichtig sei es, ihnen immer wieder zu sagen, dass nicht sie an der Trennung schuld sind. Gerade kleine Kinder, die sich als Mittelpunkt der Welt wahrnehmen, würden sich selbst als Ursache für die Probleme der Eltern sehen. „Eltern sollen oft sagen: ‚Wir verstehen uns nicht mehr; aber wir haben dich beide weiterhin sehr lieb!‘“, ist Nadlers Rat.
Der Kontakt mit dem ausgezogenen Elternteil sollte regelmäßig und verlässlich sein. „Es ist natürlich eine große Umstellung, dass der Papa plötzlich nicht immer da ist. Aber das Kind muss wissen, dass es ihn jederzeit anrufen oder ihm ein E-Mail schreiben kann.“
Oberstes Gebot für beide Elternteile sei, nicht schlecht über den ehemaligen Partner zu sprechen – auch wenn das nicht einfach sei. Und: „Die Eltern müssen eine Kompromisslösung finden, die für alle realisierbar ist und das Kind nicht überfordert“, betont Nadler. Alter und Charakter des Kindes seien dafür maßgeblich. „Für einen Einjährigen ist es sicher keine gute Lösung, wenn er eine Woche bei der Mama und eine Woche beim Papa wohnt.“

Finanzielle Schwierigkeiten

Die finanzielle Lage vieler Ein-Eltern-Familien ist angespannt, sie sind überdurchschnittlich oft armutsgefährdet oder von Armut betroffen. Urlaub oder kulturelle Veranstaltungen sind für viele nicht leistbar. „Es macht eben einen Unterschied, ob einer oder zwei Leute für eine Wohnung und die Lebenserhaltungskosten zahlen“, sagt Eva-Maria Nadler.
Sie kennt den Konflikt von Müttern, die ihre kleinen Kinder nicht den ganzen Tag in der Krippe betreuen lassen wollen, gleichzeitig aber auf ein Vollzeiteinkommen angewiesen sind. Bei Sonderzahlungen wie teuren Reparaturen, Zahnspange oder Skikurs sollten sich Mütter deshalb an die getrennt lebenden Väter wenden und bitten, sich an den Kosten zu beteiligen. Wenn ein Elternteil seinen Unterhaltspflichten nicht oder nur unregelmäßig nachkommt, kann ein Antrag auf Unterhaltsvorschuss gestellt
werden und die Alimente werden vom Staat übernommen.

Das schlechte Gewissen

Natürlich wollen Alleinerziehende das Beste für ihre Kinder, sie setzen ihre Ansprüche dabei oft zu hoch: Wenn alleinerziehende Mütter etwa versuchen, auch die Rolle des Vaters zu
übernehmen, ist Scheitern vorprogrammiert.
„Niemand schafft es, den fehlenden Vater zu kompensieren“, erklärt Nadler. Ein häufiger Fehler sei, den Kindern alles zu erlauben und keine Grenzen zu setzen. Das sei jedoch weder für das Kind noch für den Elternteil gesund, sagt Nadler: „Kinder brauchen einen klaren Rahmen und Eltern dürfen auch nein sagen, auch um sich selbst mal Freiräume zu schaffen. Sie
müssen gut auf ihre eigenen Energien schauen.“
Ein guter Rat, der sich allerdings nicht so leicht umsetzen lässt. Schließlich stellt schon die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben eine große Herausforderung dar. Die finanzielle Belastung bedeutet meist viele Wochenstunden Arbeit, für Freizeit bleibt da wenig bis gar keine Zeit. „Eigene Freizeitaktivitäten kommen definitiv zu kurz“, erzählt Monika S.
Bleibt neben Arbeit, Haushalt und anderen Verpflichtungen Zeit, nutze sie die meist für die Kinder. Trotzdem sei das schlechte Gewissen jahrelang – vor allem, als die Kinder klein waren – ihr ständiger Begleiter gewesen: „Wenn die Kinder krank waren, war ein Höchstmaß an Organisation und ein gutes soziales Netzwerk notwendig. Es gibt genug Leute, die ihre Hilfe anbieten. Da darf man nicht zu stolz sein.“
Eva-Maria Nadler bestätigt das: „Man soll wirklich alle Ressourcen nutzen und darf die Kinder ohne schlechtes Gewissen der Nachbarin anvertrauen.“

Wenig Zeit für neue Partnerschaft

Das magere Ausmaß an freier Zeit macht es für viele Alleinerziehende schwer, einen neuen Partner kennen zu lernen. Manchmal werden die eigenen Kinder zum Partnerersatz gemacht.
Insbesondere Mütter, die sehr früh mit ihrem Kind alleine leben, schaffen es nicht immer, die Symbiose mit dem Nachwuchs zu lösen und ihre Kinder loszulassen, weiß Nadler und empfiehlt in diesen Fällen, sich professionellen Rat zu holen.
Tritt dann doch ein neuer Mann ins Leben, ist besonderes Feingefühl gefragt. „Der neue Freund soll bei den Kindern nicht gleich als neuer Papa vorgestellt werden“, rät Nadler. Zuerst also für sich klären, ob der neue Freund wirklich den eigenen Vorstellungen entspricht und dann langsam die Kinder miteinbeziehen.

Info- und Beratungsstellen   

Hilfe für Alleinerziehende bieten unter anderem diese Beratungs- und Informationsstellen an:

  • Die Kontaktstelle für Alleinerziehende der Erzdiözese Wien versteht sich als Beratungs-, Informations- und Vernetzungsdrehscheibe für jene, die vor, während oder nach einer Scheidung Unterstützung benötigen. Einzelberatungen und Orientierungsgespräche helfen, Ordnung in das Lebenschaos zu bringen. Gruppenangebote wie Ausflüge oder Vernetzungstreffen bringen Menschen in ähnlichen Lebenssituationen zusammen. Beim „Freiwilligenprojekt“ unterstützen engagierte Pensionistinnen als familienergänzende Bezugspersonen Ein-Kind-Familien kostenlos.
    www.erzdioezese-wien.at/alleinerziehende
  • Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) ist eine Interessensvertretung für Alleinerziehende, Patchworkfamilien und ihre Kinder und steht in direktem Kontakt mit dem Gesetzgeber, Ministerien, Entscheidungsträgern sowie Medien. Die ÖPA setzt sich für die Beseitigung von Missständen und Ungleichbehandlungen ein. www.alleinerziehende.org
  • RAINBOWS steht Kindern und Jugendlichen in stürmischen Zeiten, bei Trennung, Scheidung oder Tod einer nahen Bezugsperson bei. In alters­homogenen Kleingruppen lernen die Kinder mit Gefühlen wie Wut, Angst, Schuldgefühlen und Enttäuschung und mit der neuen Familiensituation besser umzugehen. www.rainbows.at
  • Unter www.familienberatung.gv.at des Bundesministeriums für Familien und Jugend finden Alleinerziehende Familienberatungsstellen in ihrer Nähe.