Heilendes Moor
Mit medizinischen Mooranwendungen lassen sich bei bestimmten rheumatischen Erkrankungen und anderen gesundheitlichen Problemen oft quälende Beschwerden langfristig verbessern. Moor ist ein ganz besonderes Heilmittel.
Das Moor: Lange Zeit hindurch empfanden es die Menschen als düsteren, unheimlichen Ort, und sein schwankender Boden galt als gefährlich. Gleichzeitig schätzte man diesen Boden immer schon – einerseits als Heizmaterial, andererseits als besonderes Heilmittel. Schon der griechische Arzt Dioskurides verordnete in seiner Arzneimittellehre um 50 nach Christus Schlammanwendungen bei chronisch-entzündlichen Prozessen wie Gicht und Rheuma. Im Mittelalter nutzte man die „schwarzen Erden“, um Wunden und Haut zu desinfizieren und abheilen zu lassen. Paracelsus empfahl vor etwa 500 Jahren in seinem „Pfäferser Badebüchlein“ Heilmoor gegen Fieber und Appetitlosigkeit, Unfruchtbarkeit und Gallenleiden. Medizinische Moorbäder, wie wir sie heute kennen, gibt es aber erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts.
Modernes Wissen über Moor
Heute, im 21. Jahrhundert, nutzt man die außerordentlichen Effekte des „schwarzen Goldes“ etwa im Kurzentrum Moorbad Großpertholz. Der Ärztliche Leiter des Zentrums, Dr. Martin Walchshofer, weiß Genaueres über das sagenumwobene Moor: „Es handelt sich dabei um ein Gemisch von organischen Substanzen, die in einem viele tausend Jahre dauernden Humifizierungsprozess – der Vermoderung von abgestorbenen Pflanzen – in einem Feuchtbiotop entstanden sind. Genaugenommen bezeichnet man die Lagerstätte als Moor, und das Material, das diesem entnommen wird, als Torf. Je nach Alter und Zersetzungsgrad des Torfes sind unterschiedliche physikalische Eigenschaften gegeben.“ Torf ist also nicht gleich Torf – je nach Art ergeben sich unterschiedliche chemische Eigenschaften. Doch hören wir weiter, was der Experte aus Großpertholz über die genaue Anwendungsart zu sagen hat: „Stichfeuchtes, frisches Moor wird in sogenannten ‚Moorküchen‘ zu einem homogenen, salbigen Brei aufbereitet und auf die Haut aufgetragen oder in Wasser gelöst als Moorbad verwendet. Die Behandlungstemperatur beträgt 40 bis 50 Grad Celsius.“
Wer also umhüllt von wohltuender beständiger Wärme eintaucht in das weiche, träge Dunkel eines Moorbades, entspannt meist sofort. Dass heißer Torf nicht zu Verbrühungen führt, liegt an seiner dickbreiigen Konsistenz, und so werden die Temperaturen von den Badenden meist als angenehm empfunden.
Natürliche Heilmoor-Vorkommen haben tatsächlich ein sehr großes gesundheitliches Potenzial und können in einer breiten Palette an Anwendungsgebieten eingesetzt werden, denn der organische Cocktail des Moors ist reich an Mineralstoffen und Spurenelementen wie etwa Kalzium, Magnesium, Eisen, Phosphate oder Schwefel. „Einen großen Einsatzbereich von Mooranwendungen stellen die chronisch-degenerativen rheumatischen Erkrankungen wie Arthrosen oder Osteochondrosen dar“, sagt Walchshofer. „Hier kommt es zunächst zu einer Aktivierung der chronisch-entzündlichen Prozesse durch vermehrte Durchblutung und Anregung der Stoffwechselprozesse. Anschließend kann durch das Eingreifen der Regulationskräfte des menschlichen Organismus eine langfristige Besserung der Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden erreicht werden.“
Wissenschaftlich bestätigt
Doch das ist noch lange nicht alles, denn der Nutzen des „schwarzen Goldes“ für die Patienten ist groß. Ob Immunsystem, Hormonhaushalt, Stoffwechsel oder Nervensystem: Moorbehandlungen kombinieren medizinische Wirksamkeit mit wohltuender Regeneration. Das Immunsystem wird gestärkt, und die Selbstheilkräfte des Körpers werden angeregt. Diese nachhaltige Wirkung von Moor als entzündungshemmendes, muskelaktivierendes, schmerzstillendes und kräftigendes Heilmittel ist übrigens auch seit längerem durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. Ein weiteres großes Einsatzgebiet stellen die muskulären Verspannungen im Rückenbereich dar. Walchshofer erklärt: „Durch die warmen Mooranwendungen kommt es relativ rasch zu einer Entspannung und einer damit verbundenen Schmerzlinderung. Hier ist ebenfalls mit einer langfristigen Besserung zu rechnen.“ Auch die Beeinflussung des Hormonhaushalts konnte in klinisch experimentellen Studien mit dickbreiigen Moorvollbädern nachgewiesen werden, wobei hier auch im Torf konservierte und regional unterschiedlich auftretende Pflanzenkonstellationen eine Rolle spielen könnten. Und: Selbst bei Unfruchtbarkeit wurden statistisch relevante Erfolge erzielt. Die medizinische Forschung zu den zahlreichen Einsatzgebieten ist aber noch längst nicht abgeschlossen.
Schützen & nützen
Walchshofer verweist allerdings auch darauf, dass Mooranwendungen bei bestimmten gesundheitlichen Problemen nicht eingesetzt werden können. „Bei akuten Entzündungszuständen wie zum Beispiel einer bereits aktivierten Arthrose oder einer akuten Entzündungsreaktion nach Operationen ist die Anwendung von Wärme kontraindiziert, weil dies zu einer überschießenden Entzündungsreaktion führen würde.“ Nach ärztlicher Rücksprache, je nach Beschwerdebild, kann das Moor auch kalt angewendet werden.
Noch etwas ist bemerkens- und wissenswert, was Moore betrifft, denn diese helfen nicht nur zu heilen, sondern sie schützen auch unser Klima. Das gilt jedoch nur für noch intakte Moore. Solche Böden binden Kohlendioxid, ein Treibhausgas aus der Atmosphäre. Und an Moorstandorten gedeihen auch viele Pflanzen ideal, zum Beispiel die als nachwachsende Roh- und Baustoffe wichtigen Schilf- und Rohrkolben oder der Sonnentau – eine Pflanze, die morastigen Untergrund braucht und unter anderem als Bestandteil von Hustensaft genutzt wird. Oder die mehrjährige Sumpfpflanze Fieberklee, die naturheilkundlich orientierte Ärzte oft bei Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden verordnen. Die jahrtausendealten Moore gilt es also zu schützen und zu nützen.





