Endlich Zeit für mich
Kuren können die Symptome einer chronischen Krankheit langfristig lindern und bieten die Möglichkeit, sich eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und sich ganz mit sich selbst zu beschäftigen.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Marktl, Präsident der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin
Dr. Wolfgang Foisner, Präsident des Verbands Österreichischer Kurärztinnen und Kurärzte
In aller Frühe läutet der Wecker. Man putzt sich schnell die Zähne und bereitet das Frühstück für die Kinder zu. Während die Kleinen essen, hat man Zeit für eine kleine Verschnaufpause. Danach muss alles schnell gehen. Die Sprösslinge in die Schule bringen und ins Büro fahren. Gleich um acht Uhr ist heute ein wichtiges Meeting angesetzt. In der Mittagspause greift man zu Fast Food, weil man nicht viel Zeit hat. Abends kommt man müde aus der Firma, fährt beim nächsten Supermarkt vorbei und erledigt die Einkäufe. Lust, heute noch etwas zu kochen, hat man keine. Deshalb kauft man Tiefkühlpizza für sich und die Familie. Sobald die Kinder im Bett sind, legt man sich mit Bier und Chips vor den Fernseher, bis man einschläft. Wer solche Tage nur allzu gut kennt, kann auch nachvollziehen, wie die sogenannten „Volkskrankheiten“ entstehen. Ständige Anspannung, ungesunde Ernährung und kaum Bewegung schaden Körper, Geist und Seele. Eine Auszeit kann hier eine Kur bieten.
Traditionelle Behandlung
Bereits im Altertum wussten die Menschen um die heilende Wirkung von Kuren. Es gab Thermen und Sanatorien, in denen sie sich erholten. Auch der hohe Salzgehalt des Toten Meeres zog diejenigen, die es sich leisten konnten, zum Heilverfahren dorthin. Der Antrag zur Kur muss aber nicht erst gestellt werden, wenn bereits starke Symptome vorhanden sind, weiß Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Marktl, Präsident der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin: „Kuren können sowohl präventiv als auch therapeutisch sein. Es ist wichtig, Krankheiten rechtzeitig zu behandeln, bevor sie klinisch manifest werden. Dies kann man meist – unter anderem – durch eine Kur gewährleisten.“
Die häufigsten Gründe für einen Kuraufenthalt sind chronische Erkrankungen des Bewegungsapparats, Herz-Kreislauf-Probleme, Entzündungen im Magen-Darm-Trakt und ein noch nicht weit fortgeschrittenes Burnout-Syndrom. Und im Gegensatz zu früher ist es heute kein Privileg der Reichen mehr, sich auf einer Kur zu erholen. Die Kosten werden fast zur Gänze von der Krankenkasse übernommen. Lediglich ein geringer Selbstbehalt bleibt beim Patienten. Ihr Arzt gibt Ihnen alle Informationen, die Sie für den Antrag benötigen. „Der beste Zeitpunkt für eine Kur ist dann, wenn immer wieder Beschwerden auftreten, die zu Hause nicht besser werden“, erklärt auch Dr. Wolfgang Foisner, Präsident des Verbands Österreichischer Kurärztinnen und Kurärzte.
Zur Ruhe kommen
Der Vorteil eines mehrwöchigen Kuraufenthalts gegenüber einer ambulanten Behandlung, beispielsweise regelmäßig nach der Arbeit, liegt auf der Hand: Man kann für eine gewisse Zeit dem Alltagsstress und den Problemen entfliehen und sich auf sich selbst konzentrieren. Es wird die Möglichkeit geboten, sich mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen und zur Ruhe zu kommen. Man muss nicht selbst putzen, nicht selbst kochen, sondern kann seine Freizeit zwischen den Therapie-Einheiten bei ausgedehnten Spaziergängen und Sport genießen oder einfach den Schlaf nachholen, den man im stressigen Alltag vermisst hat. „Kuren sind ein Verfahren der Ganzheitsmedizin“, erklärt Marktl. „Da sich die geistige nicht von der körperlichen Gesundheit trennen lässt, wird auf einer Kur neben der Behandlung der Krankheitssymptome auch eine intensive und strukturierte Erholung angestrebt. Zahlreiche Studien beweisen das bessere Wirksamwerden der Behandlung durch viel Ruhe und Entspannung. Oft kann eine Linderung der Symptome bis zu mehr als einem Jahr nach Kurende festgestellt werden“, weiß Marktl. Dass die Erwartungen der Patienten an einen Kuraufenthalt besonders hoch sind, hat Foisner vom Verband Österreichischer Kurärztinnen und Kurärzte festgestellt: „Alles können wir natürlich nicht heilen. In den meisten
Fällen wird aber eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht, nicht zuletzt deshalb, weil die Patienten auch mit Gesundheitstipps versorgt werden, damit sie zu Hause weitermachen können.“
Rundum gesund leben
Der gesunde Speiseplan, der in Kuranstalten angeboten wird, wird meist von Diätologen erstellt, die auch persönliche Gespräche oder Vorträge zur gesunden Ernährung anbieten. Deshalb ist eine Kur auch eine gute Gelegenheit, überflüssige Kilos zu verlieren und mit alten Gewohnheiten zu brechen. Auch die Angst vor Einsamkeit, weil man lange Zeit ohne Familie oder Freunde auskommen muss, ist unbegründet: Andere Gäste haben dasselbe Problem und die gemeinsamen Beschwerden sind oft ein guter Einstieg in eine Unterhaltung, sodass oft Freundschaften oder Beziehungen entstehen, die noch lange nach dem Kurende gepflegt werden. „Es wäre aber ein Fehler, die Kur als Urlaub zu betrachten. Spaß gehört sicherlich dazu, aber als Patient sollte man es vermeiden, mehrmals in der Woche abends beim Heurigen zu sitzen oder viel Sightseeing zu betreiben“, meint Marktl. „Wenn man andererseits versucht, so viele Therapien wie möglich in den Kuraufenthalt zu packen und sich damit selbst stresst, ist das ebenfalls nicht zielführend.“
Flexibler Therapieplan
Es liegt also an einem selbst, was man aus der Kur macht. Man hat hier die Gelegenheit, mit Experten, die sich mit tausenden Patienten pro Jahr beschäftigen, die dieselbe Krankheit haben, zusammenzuarbeiten. Der Therapieplan kann sehr flexibel sein und nach den Vorlieben des Patienten gestaltet werden. Wenn zum Beispiel eine Stunde Walken am Tag am Programm steht, man aber viel lieber mit dem Fahrrad fährt, findet sich meist ein Kompromiss. Die Erstuntersuchung – normalerweise am zweiten Tag der Kur – wird deshalb auch dafür genutzt, den Therapieplan gemeinsam mit dem Patienten zu erstellen.
Wichtig ist natürlich, nach der Kur weiterzumachen und nicht in seine gewohnten Muster zurückzufallen. Man sollte versuchen, Gelerntes, wie zum Beispiel die richtige Ernährung oder Bewegungsübungen und Zeitmanagement für sportliche Aktivitäten, in seinen Alltag zu integrieren. Außerdem heißt das Ende der Kur für Berufstätige, sich wieder in die Arbeit zu stürzen und an den Stress zu gewöhnen, der einem während der Therapie erspart blieb. Wer nach der Kur also wieder so lebt wie davor, wird wohl bald wieder unter den Symptomen seiner Krankheit leiden.
Kuren-Infos aus erster hand
Wohin auf Kur? Umfassende Informationen über das gesamte Angebot hat der Österreichische Heilbäder- und Kurorteverband.
Die Vielfalt an heimischen Kurzentren deckt ein breites Spektrum an Angeboten ab – aber woher weiß man, welche Einrichtung den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen am besten entspricht?
Beratung und Information bietet der Österreichische Heilbäder- und Kurorteverband, die wichtigste Informationsstelle für heimische Heilbäder, Kurbetriebe, Kurorte und Kneippkureinrichtungen. Für Kur-Interessierte gibt es auch die Broschüre „Kur, Therme, Kneipp in Österreich“, die detailliert Auskunft über alle Kureinrichtungen gibt. Sie enthält außerdem alle Kontaktdaten, das Behandlungs- und Therapieangebot sowie die jeweiligen natürlichen Heilvorkommen.
Österreichischer Heilbäder- und Kurorteverband: Wiedner Hauptstr. 120–124/4/444, 1050 Wien, Tel.: 01/5121904, info
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