Der Überflieger
Captain Maximilian Weiermayer steuert den einzigen Intensivtransporthubschrauber Österreichs. GESUND&LEBEN erzählt er von seiner Liebe zur Fliegerei und einem Beruf, der sich nicht wie Arbeit anfühlt.
Das Schönste ist für ihn, wenn er seine Night Vision Goggles (Nachtsichtbrille) aufsetzt, in den Himmel schaut und die tausenden Sterne und Sternschnuppen über sich sieht. Das Nachtsichtgerät verstärkt das vorhandene Licht um ein Vielfaches. „So viele Sterne sieht man mit dem freien Auge nicht. Da wird einem erst bewusst, welch kleines Sandkorn man eigentlich ist“, sagt Captain Maximilian Weiermayer. Er ist Base-Manager bei der Christophorus-Flugrettung. Sein Helikopter steht in Wiener Neustadt – der Einzige seiner Art in Österreich: Dieser Intensivtransporthubschrauber (ITH) ist eine fliegende Intensivstation und wird dazu genutzt, Intensivpatienten zwischen zwei Kliniken zu verlegen. Von außen unterscheidet ihn nichts von einem normalen Christophorus-Helikopter. „Das Besondere am Hubschrauber-Transport ist, dass er sehr viel schonender verläuft als ein Patiententransport mit dem Auto. Man spürt die Beschleunigungskräfte nicht so sehr und wird weniger hin und her geschüttelt“, erklärt Weiermayer. Dabei sei es wichtig, die richtige Flughöhe zu wählen: „Je höher der Hubschrauber fliegt, umso weniger muss man im Regelfall mit Turbulenzen rechnen.“
Langer Dienst
Seinen Dienst verrichtet er an einem der 16 Ganzjahresstützpunkte des ÖAMTC. Oft hat er einen 16-Stunden-Tag. Er schläft auf dem Stützpunkt, denn sein Dienst dauert durchgehend von Montag bis Sonntag. Also sieben Mal 24 Stunden. „Dafür habe ich die nächste Woche dann frei“, grinst Weiermayer, „also viel Zeit für meine anderen Hobbys. Ich fahre im Jahr etwa 35.000 km mit dem Motorrad, reite gerne oder segle durch das Mittelmeer oder die Karibik.“ Einen großen Unterschied macht das für ihn allerdings nicht, denn auch das Fliegen selbst gehört zu seinen Hobbys. „Ich habe in meinem Leben keinen einzigen Tag wirklich gearbeitet“, sagt er stolz, „denn das Fliegen ist meine große Leidenschaft. Es taugt mir einfach.“ Dieser Leidenschaft geht er seit dem Jahr 1969 nach, damals absolvierte er die Segelflugausbildung. Danach verpflichtete er sich als Pilot beim Bundesheer, denn „der private Flugschein wäre für mich unleistbar gewesen“. Beim Heer arbeitete Weiermayer 20 Jahre lang als Fluglehrer und bildete 186 Schüler zu Helikopterpiloten aus. Daneben flog er auch für eine zivile Firma und übernahm neben Transportflügen, Außenlastflügen und dem Transfer von VIPs wie Niki Lauda auch Kameraflüge für Film- und Fernsehproduktionen.
Faszination Fliegen
Seinen aufregendsten Kameraflug absolvierte er für die Universum-Dokumentation „Glockner – Der schwarze Berg“: „Regisseur Georg Riha erklärte mir, was er sich für den Abspann des Films vorstellte. Er wollte, dass das Gipfelkreuz mit dem Hubschrauber umrundet wird und man dann seitlich und rückwärts wegfliegt. Das ist eine ziemlich anspruchsvolle Angelegenheit: Die Kamera war seitlich montiert und ich wusste nicht genau, was gerade im Bild ist. Und beim Seitwärts- bzw. Rückwärtsfliegen genügt eine kleine falsche Bewegung und man hat einen Ruck im Bild, den man nicht herausschneiden kann“, erklärt der Pilot. Dennoch hat er es beim ersten Versuch geschafft. „Absolut geil war das“, schwärmt er heute. Ein Draufgänger ist Weiermayer aber nicht. Fliegen ist für ihn eine Sache des Respekts, bei dem sich jeder Übermut fürchterlich rächen kann. „Ich habe schon viele Weggefährten verloren.“
Hilfeleistung
2001 bewarb er sich beim ÖAMTC. „Beim Militär durfte ich nur mit einem Modell fliegen. Ich habe einige Male gebeten, etwas anderes fliegen zu dürfen, aber das war einfach nicht vorgesehen. Damit wollte ich nicht alt werden“, erklärt Weiermayer. Bereut hat er diesen Schritt nie.
Die Unabhängigkeit in seinem Job genießt er, er kann selbstständig arbeiten und ist davon überzeugt, dass er Gutes tut: „Den Patienten, die im ITH transportiert werden, geht es wirklich schlecht. Ich sehe dann immer die Chance, die wir ihnen bieten, die Möglichkeit, dass ihnen geholfen werden kann.“ Ein Großteil seiner Arbeit ist die Planung der Flüge, die ihn auch zu Kliniken in ganz Mitteleuropa führen. Zwischen einer halben und sechs Stunden kann eine Planungsphase dauern: Beim Übergabegespräch erfährt die Crew, wie es um den Patienten steht und was zu beachten ist. Dann wird eine Wetterberatung vom Flughafen Schwechat eingeholt. Außerdem ist das Flugrecht nicht überall gleich. Weiermayer muss über die Regelungen in den Ländern, in deren Luftraum er sich bewegt, genau Bescheid wissen, bevor er abhebt. So kann es passieren, dass sein Intensivtransporthelikopter auch einmal im deutschen Frankfurt oder im ungarischen Debrecen, an der rumänischen Grenze, landet. Weitere Strecken sind mit dem Hubschrauber nicht sinnvoll, dafür wird ein Flugzeug eingesetzt.
Professionell
Die Arbeit mit Profis empfindet Weiermayer als besonders interessant. „Neben mir sind zwei Leute an Board, die den Patienten versorgen: Diplomkrankenpfleger müssen die Ausbildung für die Intensivstation absolviert haben und eine Zusatzausbildung machen, um im Helikopter arbeiten zu können – richtige Spezialisten“, erklärt der Pilot. „Und der Arzt, mit dem ich fliege, ist ein gestandener Intensivmediziner mit viel Erfahrung. Kein junger Bursche mehr. Mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten ist eine großartige Erfahrung.“
Eine Rückmeldung darüber, was aus den Patienten wurde, die Weiermayer und sein Team transportiert haben, gibt es meist nicht. „Manchmal schreibt jemand eine Karte und bedankt sich, aber das kommt fast nie vor. Damit muss man leben“, erklärt er, „für uns ist die Hauptsache, dass sie gut in der Intensivstation des Zielkrankenhauses ankommen. Wir laden sie nämlich nicht einfach nur aus, sondern bringen sie bis ins Bett der Station. Erst dann ist unsere Arbeit getan.“
Mit dem Herzen dabei
Die Fliegerei beim Bundesheer war actionreicher als der Krankentransport, dort flog Weiermayer mit seinem Hubschrauber vom Typ Bell 206 Jet Ranger am liebsten die Formation „Kleeblatt“: Dabei positionieren sich vier Helikopter auf gleicher Höhe kreuzförmig so, dass sich die vier Piloten gegenseitig sehen können, dann drehen sie sich um eine gemeinsame Achse – ein schwieriges Manöver, das viel Übung und Gefühl erfordert und exakt ausgeführt werden muss. Die Ausbildung zum Helikopterpiloten sei sehr kostenintensiv und man müsse zu 110 Prozent dabei sein, sonst schaffe man es nicht. Weiermayer bezeichnet sich selbst aber ungern als Pilot. Er sei ein Flieger. „Da gibt es einen Unterschied“, erläutert der 61-Jährige. „Ein Pilot fliegt mit dem Kopf. Ein Flieger mit dem Herzen.“
Die Universum-Dokumentation „Glockner – Der schwarze Berg“, an deren Produktion Maximilian Weiermayer beteiligt war, ist auf www.youtube.com in voller Länge zu finden.