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Beherzt helfen

Seit 30 Jahren gibt es den NÖ Herzverband. Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wer steckt dahinter? Was wird getan? Und wo kann man mitmachen?


Jede Woche trifft sich die Bezirksgruppe Mödling zum Koronarturnen, das von ausgebildeten Physiotherapeuten geleitet wird. Foto: Philipp Monihart

Am 19. September 1994 veränderte sich das Leben von Franz Fink. Davor hatte er gelebt wie so viele Österreicher: stressiger Beruf, wenig Zeit für Sport, leichtes Übergewicht. Auf seine Cholesterinwerte achtete der damals 53-Jährige kaum. Als er einen starken Druck in der Brust spürte und später Fieber bekam, dachte er noch an eine simple Rippenfellentzündung. Einen Arztbesuch war ihm das nicht wert, „ich hatte ihn vorher ja auch fast nie gebraucht“, erzählt Fink. Nach vier Wochen ließ er sich dann doch vom Hausarzt untersuchen. Diagnose: übergangener Hinterwandinfarkt. Fink bekam drei Bypässe. Es gab Komplikationen, die Medikamente griffen seine Darmwände an. Notoperation, elf Blutkonserven. Nach sieben Tagen auf der Intensivstation und einiger Zeit im Klinikbett wog der vormals übergewichtige Mann nur mehr 62 Kilogramm. Heute, über 20 Jahre später, ist der 75-Jährige „soweit ganz gesund“. Er bewegt sich gerne, fährt Rad oder Ski und wandert.
Fixpunkt der Woche ist für Franz Fink das Koronarturnen des Herzverbandes.

Gemeinschaft

Da nämlich treffen sich die Mitglieder dieser Selbsthilfegruppe zum gemeinsamen Turnen und zum geselligen Beisammensein und Austauschen über die Probleme, die ihre Herzerkrankungen mit sich bringen. Fink ist seit seiner Diagnose 1994 dabei: „Bei der Reha in Bad Schallabach habe ich eine Broschüre des Herzverbandes gelesen und beschlossen, in der Bezirksgruppe in Mödling mitzumachen.“ In der Gemeinschaft fühlte er sich sofort wohl. 1998 wurde er Schriftführer, 2010 Obmann. „Jeder möchte seine Krankengeschichte erzählen und sucht einen Zuhörer. Der NÖ Herzverband bietet 30 Jahre Erfahrung – das hat mir geholfen, und das hilft auch anderen Mitgliedern.“ Der Verein sieht sich als Bindeglied zwischen
Ärzten und Patienten und hat gute Verbindungen zu Praxen und Rehabilitationszentren.
Als größte Stärke des Herzverbandes sieht Fink aber die Gemeinschaft: „Es ist eine große Hilfe und Entlastung, wenn man seine Sorgen mit Menschen teilen kann, die die gleichen Probleme haben und sich in der Gruppe gegenseitig beraten. Deshalb haben wir regelmäßige Stamm­tische, aber auch Wanderungen und gemeinsame Ausflüge. Einige unserer Mitglieder fahren jede Woche mehr als 20 Kilometer zum Training, weil sie sich in unserer großen Familie so gut
aufgehoben fühlen.“

Austausch

Wer im Turnsaal des Schulsportzentrums Mödling am wöchentlichen Koronarturnen teilnimmt, hält sich nicht nur fit. Er trifft auch Freunde. „Ganz wichtig ist, dass sich die Leute vor dem Training unterhalten können“, schildert Fink, „viele kommen dafür extra eine halbe Stunde früher.“ Oft trainieren die Ehefrauen von Männern mit Herz­erkrankungen einfach mit. Viele innige Freundschaften seien so bereits entstanden, „die Leute fahren sogar gemeinsam auf Urlaub.“ Auch die monatlichen Wanderungen der Bezirksgruppen tragen zum Austausch bei – mit einer leichten Wanderung für alle Mitglieder und einer anspruchsvolleren für die Fitteren; viele wandern bei beiden mit. Wie bei den Wanderungen muss auch beim Turnen jeder einen kleinen Unkostenbeitrag entrichten. In Mödling sind es zwei Euro – für die Reinigung der Halle und für die Physiotherapeutin, die das Training leitet. Der Preis ist so niedrig, weil der NÖ Herzverband einen Teil seiner Kosten vom
NÖ Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) und der NÖ Gebietskrankenkasse (NÖGKK) erstattet bekommt. Die NÖGKK stellt dem Verein in ihrem Haus auch gratis ein Büro zur Verfügung.

Dank

Die 77-jährige Waltraut Hrdy leitet die Bezirksgruppe in Mödling, ihr Gatte hatte vor 30 Jahren den NÖ Herzverband gegründet. Früher war sie ehrenamtlich Vorturnerin. Schon damals stand der Spaß stets im Vordergrund, erinnert sie sich: „Die Bewegung ist wichtig, aber auch die Psyche darf man nicht vernachlässigen. Nach einem Herzinfarkt wird man ängstlicher. Unsere Mitglieder wollen über ihre Ängste und Probleme sprechen. Darum wird vor und nach dem Turnen viel geplaudert.“ Etwa 40 Mitglieder kommen jede Woche zum Training. „Es kommt so viel zurück“, freut sich Hrdy, „sie sind sehr dankbar und sagen das auch. Die, denen es gesundheitlich schon zu schlecht zum Mitturnen geht, sind sehr froh, wenn man hie und da bei ihnen anruft und sich erkundigt, wie es ihnen geht.“ Auch Fink macht diese Erfahrungen: „Es ist schön, wenn der Dank aus den Bezirksgruppen kommt. Es steckt viel Arbeit dahinter, aber es macht schon stolz, wenn die Leute sagen: ‚Ohne das, was ihr aufgebaut habt, wären wir nicht hier.‘“

Bewegung

Eckhard Deisenberger kommt seit sieben Jahren zum Training und freut sich sehr über den Einsatz der freiwilligen Helfer. Seit er einen Herzschrittmacher hat, ist der 70-Jährige bei allen Aktivitäten des Herzverbandes dabei. „Ich würde mich sonst zu wenig bewegen. Gemeinsam und unter Anleitung der Physiotherapeutin ist es einfacher, den inneren Schweinehund zu überwinden.“ Genau dafür sei der Herzverband da, erklärt Obmann Franz Fink: „Es gibt zwar in jedem größeren Ort Turngruppen, doch für Menschen mit Herzproblemen ist das Training dort zu anstrengend. Sie trauen es sich nicht zu oder genieren sich, weil sie nicht mithalten können und machen dann gar nichts. Unser Koronarturnen ist für solche Menschen genau das Richtige.“ Als Obmann ist Fink für die Gründung neuer Bezirksgruppen und für Organisation und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der Zeitaufwand ist hoch: „Wir veröffentlichen vier Mal im Jahr das Magazin Herzjournal. Das ist jedes Mal sehr aufwändig.“ Deshalb sucht er einen Nachfolger, bis zum Jahresende sollte der neue Obmann feststehen, hofft Fink.  Weshalb sich der gelernte Maurer in seiner Pension noch so für andere einsetzt und seine Freizeit dafür opfert, weiß er selbst nicht so genau. „Ich war in meinen späteren Arbeitsjahren Brückenmeister und wurde dann der Sprecher der Brückenmeister in Niederösterreich. Für mich war es immer schon wichtig, für die Kollegen da zu sein“, macht er einen Erklärungsversuch, „wir waren zu Hause acht Kinder. Vielleicht kommt das daher.“

30-Jahr-Feier

Der NÖ Herzverband feiert sein 30-jähriges Bestehen und lädt Interessierte bei freiem Eintritt herzlich dazu ein. Es gibt Vorträge von sechs Ärzten rund ums Herz und der Herzverband stellt sich vor. Eine ideale Möglichkeit, um die Menschen dort kennenzulernen und sich für das nächste Training oder den nächsten Stammtisch anzumelden.
30. April 2016, ab 09:00 Uhr, Universitätsklinikum St. Pölten, Vortragssaal im 8. Stock

Bezirksgruppen des NÖ Herzverbandes

  • Gänserndorf, Tel.: 0664/5418159
  • Groß Gerungs, Tel.: 02812/86810
  • Hollabrunn, Tel.: 0699/10069154
  • Horn, Tel.: 0676/5975538
  • Korneuburg, Tel.: 0650/2215089
  • Krems, Tel.: 0699/11524155
  • Mödling, Tel.: 02236/47365
  • St. Pölten, Tel.: 0688/8679428
  • Tulln, Tel.: 0664/4884594
  • Ybbs, Tel.: 07412/52766
  • Waidhofen/Ybbs, Tel.: 0676/7806012

Die elf Bezirksgruppen bieten unterschiedliche Aktivitäten an –  Stammtische, Erste-Hilfe-Kurse, Vorträge und gemeinsame Ausflüge,  Radausfahrten, Wanderungen, Schwimmen, Walken, Koronar­turnen oder Qigong.

Informationen:
NÖ Herzverband, Tel.: 02236/860296, office(at)herzverband-noe.at, www.herzverband-noe.at