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Auszeit vom Stress

Psychiatrische Rehabilitation – ein Weg in ein neues Leben


Martin Geiger MSc, Psychotherapeut in Mistelbach www.alleszuviel.at

„Es begann mit kleinen Missgeschicken, Unachtsamkeit, gesundheitliche Probleme, ständige Müdigkeit – und letztlich habe ich noch einen Auffahrunfall verursacht“, erinnert sich Maria an eine der schlimmsten Phasen in ihrem Leben. Es begann schleichend, über zwei Jahre und irgendwann kam das unmissverständliche Signal: Burnout. „Ich habe es nicht wahrhaben wollen, war mitten in diesem destruktiven Zustand und habe gedacht, ich muss einfach weiter, weiter … Der Dauerstress verursachte letztlich ein Gefühl der Ohnmacht.“ So muss der Weg nicht enden, denn Stress hat auch seine guten Seiten, er spornt uns an, macht uns leistungsbereit und ist prinzipiell ein lebens­erhaltender Mechanismus, um den Körper auf eine Situation vorzubereiten, in der ihm besondere Leistungen abverlangt werden.
Den lebenserhaltenden Mechanismus als solchen zu erhalten, ist natürlich nicht immer ganz leicht. Vor allem wenn man, wie Maria, engagiert ist und den Job gerne macht. Maria: „Ich war es gewohnt, bis Mitternacht im Büro zu sein. Um ‚runterzukommen‘ habe ich zu Hause noch bis zwei Uhr früh ferngesehen und kam nie wirklich zur Ruhe.“ Bis zu ihrem letzten Arbeitstag war sie hoch aktiv. „Ich war bereits mitten im Burnout, aber mir das selbst einzugestehen war der schwierigste Prozess
dieser Entwicklung.“ Heute wirkt sie gelassen, fröhlich – „ich habe mir berufliche Auszeit genommen, zwei Monate fast nur geschlafen, dann war ich auf Kur – ich musste mich einfach selbst wieder spüren.“ „Emotionale Erschöpfung, Energiemangel, Müdigkeit, die Unfähigkeit, sich in der Freizeit zu entspannen: all diese Zustände stehen in engem Zusammenhang mit Burnout“, erklärt Martin Geiger, MSc, Psychotherapeut und Burnout-Spezialist in Mistelbach.  Bleiben die Symptome unbehandelt, können körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Erkrankungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Angst- und Suchterkrankungen entstehen. Entsprechend kritisch sehen daher internationale Fachgesellschaften wie die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) die Situation in Hinblick auf Therapie und Rehabilitation von Burnout als verallgemeinernden Krankheitsbegriff. Die deutsche Schwestergesellschaft des Verbandes warnt in einem Positionspapier: „Viele Burnout-Coaches und Kliniken vermitteln den Patienten den Eindruck, dass mit Wellness-Methoden wie gesundem Essen, Sport, Entspannungs- und Zeitmanagement-Training oder einfachen Empfehlungen zur Arbeitsplatzumstrukturierung jegliche psychische Störungsform im Zusammenhang mit Arbeitsstress behoben werden könnte.“ Dadurch blieben Betroffenen spezifische Therapien vorenthalten. Bei der Entstehung von Burnout sind jedoch unterschiedliche Faktoren ausschlaggebend.

Psychotherapie im Zentrum

Im Mittelpunkt eines Therapiekonzeptes im Zuge einer Kur steht die Psychotherapie. Ergänzend dazu werden – je nach Diagnose und Patient – spezifische Methoden angewendet. Ein interdisziplinäres Team von Spezialisten, wie Ärzten, Psycho-, Ergo-, Physiot- oder Musiktherapeuten arbeitet mit den Betroffenen. Martin Geiger weiß: „Im Allgemeinen ist der Patient danach wieder in der Lage, durch Verhaltensänderung die Lebensqualität und -freude zu verbessern.“ Allerdings, so der Experte, ist eine Psychotherapie weiterhin nötig, denn vielen Betroffenen falle der Übergang von einer „geschützten Umgebung“ in den normalen Alltag schwer. Zudem mache es  laut dem Experten Sinn, bereits in der Wartezeit vor Genehmigung einer seelischen Reha eine Psychotherapie bzw. bei Bedarf medikamentöse Behandlung zu beginnen. Dies steigere die Effizienz der Kur.
Maria ist der Weg aus dem Burnout gelungen. Sie hat sich bei ihrem Aufenthalt Entspannungstechniken angeeignet, die sie im Alltag nutzt, und neue Lebensfreude gefunden. „Mein Wertedenken hat sich stark verändert. Was bringt mir eine tolle Geldprämie, wenn ich keine Lust habe, das Geld auszugeben? Zeit zu haben ist mir wichtig und wie ich sie nutze, es geht mir nicht mehr nur um das Konsumieren von Zeit, sondern sie mit dem zu nutzen, was mir gut tut. Freunde treffen, Familie ist wichtig und Lebensfreude. Ein wenig nach dem Motto: Erst Freude, dann Leistung.“